mit dem Zug durch Europa

Autor: Josua

Mit dem Nachtzug im Herbst nach Italien

Ende Oktober 2023 fuhr ich zusammen mit meinen Eltern nach Italien. Eine Nachtzugfahrt, ein Besuch von Pompeii und eine Fahrt mit dem Bernina Express standen auf ihrer Bucket Liste, ich wurde damit beauftragt daraus einen Urlaub zu planen. Wir entschieden uns für ein Interrailticket für drei Tage, an zwei weiteren Tagen fuhren wir mit Einzeltickets.

Am ersten Tag ging es für mich von Berlin aus Richtung Süden, wo ich in Crailsheim auf meine Eltern traf und wir gemeinsam weiter bis nach München fuhren. Dort aßen wir zu abend, bevor wir in den Nachtzug nach La Spezia einstiegen. Wir fuhren im Schlafwagen in einem Abteil für uns und mit einem eigenen Bad auf dem Zimmer. Alles war sauber, das Bett war bereits bezogen und man konnte sich das Frühstück auf einem Flyer zusammenstellen sowie die Frühstückszeit für den nächsten Morgen wählen.

Als ich am nächsten Tag aufwachte, befande sich der Zug gerade irgendwo zwischen Milano und Genova. Ab Genova fuhr der Zug entland der ligurischen Küste, mit einem wunderschönen Blick auf das Meer. Der Höhepunkt der Zugfahrt war dann die letzte halbe Stunde, als der Zug durch die Cinque Terre fuhr, bevor er in La Spezia ankam. Die Cinque Terre, das sind fünf wunderschöne kleine Dörfer mit bunten Häusern an der ligurischen Küste die alle ihren eigenen Bahnhof haben.

Nach einchecken im AirBnB ging es mit dem Zug nochmal eine Station zurück nach Riomaggiore. Von dort gibt es einen schönen Wanderweg nach Manarola, wo es das wohl bekanntesten Postkartenmotiv der Cinque Terre gibt. Am nächsten Morgen fuhren wir nochmals in die Chinque Terre, nach Monterosso, bevor es mit einem Frecciabianca nach Rom weiterging.

In Rom besichtigten wie die typischen Sehenwsürdigkeiten auf die ich hier nicht weiter eingeben werde. Obwohl ich schon zweimal in Rom war, gab es immer noch vieles neues für mich zu besichtigen. Trotz der späten Jahreszeit waren immer noch sehr viele Touristen unterwegs, für das Kolosseum und das Forum Romanum musste man Tickets bereits einige Tage im Vorraus buchen. Ein Geheimtipp ist der Parco degli Acquedotti, ein Park etwas außerhalb von Rom gelegen in dem ein großes Stück eines antiken Aquedukts steht. Hier entzieht man sich dem trubel im Stadtzentrum, trotzem ist der Park ist gut mit der Metro erreichbar.

Für einen Tagesausflug ging es von Rom nach Napoli. Der Frecciarossa macht es möglich, der für die Strecke zwischen den beiden Städten gerade einmal 1 Stunde und 10 Minuten braucht. Nochmals weitere 50 Minuten braucht man mit der Regionalbahn, um nach Pompei zu kommen. Dort verbrachten wir mehrere Stunden in der beeindruckenden archäologischen Ausbrabungsstätte. Am Abend ging es dann noch auf den Montesanto und natürlich gab es zum Abendessen eine typisch neapolitanische Pizza. Mit dem letzten Zug ging es um 20:30 zurück nach Rom.

Nach zwei weiteren Tagen in Rom machten wir uns langsam zurück auf den Heimweg. Mit einem italo Zug, einem privatwirtschaftlichen Konkurenten der staatlichen Trenitalia, ging es ohne Halt direkt von Rom nach Milano. Der Zug hat einen hohen Reisecomfort, einzig das Bordrestaurant habe ich vermisst. Die bereitgestellten Snackautomaten sind m.M.n. kein Ersatz für ein echtes Restaurant. Im Milano verbrachten wir einen halben Tag mit Sightseeing sowie eine Nacht im Hotel, bevor es am nächsten Tag weiterging.

Mit dem Zug ging es zuerst nach Tirano an der schweizer Grenze. Die Zugfahrt geht auf langen Strecken entlang es Lago di Como, mit beeindruckendem Ausblick. Von Tirano aus fährt der Bernina Express bis nach Chur, wir bekamen aber eine Mail dass dies heute aufgrund eines Steinschlags nicht der Fall ist. Wir hatten anfangs etwas Sorge, ob wir wie geplant am Abend in Chur ankommen, aber auf die schweizer Bahnen ist Verlass. Es gab einen Ersatzverkehr bis in den Ort Poschiavo, dort fuhr dann nach normalem Fahrplan der Zug nach Chur ab.

Während es unten noch Spätsommer war, gab es auf dem Berninapass bereits eine geschlossene Schneedecke. Dazwischen hangen Laubbäume im Herbstlaub, es war eine unglaublich schöne Fahrt. Man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Angekommen in Chur ging es mit einer Regionalbahn noch weiter nach Heerbrugg, von dort aus mit einem Bus nach Hohenems in Österreich.

Nach einer letzten Nacht in einem Hotel ging es am nächsten Morgen von Hohenems aus auf den Heimweig. Für mich bedeutete dies eine Fahrt nach Bregenz, anschließend mit dem auf Zürich kommenden EC nach München und zuletzt mit dem ICE zurück nach Berlin. Es war eine schöne und abwechslungsreiche Reise und ich konnte damit meinen Eltern das Zugreisen schmackhaft machen, immerhin war es der erste Nachtzug für meinen Vater und der erste Nachtzug meiner Mutter seit ihrer Jugend. Vielleicht inspiriert der Blogbeitrag ja auch dich dazu, eine Zugreise zu planen.

Wo Zugreisen kaum möglich ist: Auf abgefahrenen Gleisen durch den Balkan

Vor einigen Jahren traf ich einen jungen Tschechen im Zug durch Serbien, der mir ein Video von sich in einem völlig ramponierten Zug in Albanien zeigte. Seit dieser Begegnung hatte ich den Traum, dieses Abenteuer einmal selbst zu erleben.

Streckenverlauf der Reise. Rot: Eisenbahn, Grün: Bus
Streckenverlauf der Reise. Rot: Eisenbahn, Grün: Bus

Mitte August 2024 war es dann so weit. Neben Albanien wollte ich auch noch nach Nordmazedonien und Kosovo und dabei versuchen so wenig wie nötig mit dem Bus zu fahren. Über die DB ergatterte ich mir für die erste Strecke ein unglaublich günstiges Ticket von 34,99€ von Berlin Hbf bis nach Győr in Ungarn. Die Verbindung bestand aus einem Railjet der ČD über Prag bis nach Wien, anschließend mit einem Railjet der ÖBB weiter bis nach Győr. Die Aussicht aus dem Fenster in Tschechien ist immer wieder beeindruckend, dauerhaft gibt es Berge im Hintergrund zu bestaunen. Und auch das kulinarische Angebot in beiden Railjets war hervorragend.

Von Győr aus fuhr ich mit einer Regionalbahnen nach Tapolca und von dort weiter bis nach Révfülöp am Balaton, dem Plattensee. Dabei kam direkt Balkanstimmung auf, alte DB-Züge die über abgefahrene Strecken stolpern, Bahnhöfe ohne Bahnsteige, und in Tapolca musste ich wieder aus meinem Zug aussteigen da dieser einen Motorschaden hatte. Eine Ersatzlok wurde irgendwoher aufgetrieben und mit etwas Verspätung kam ich am späten Abend an.

Am Balaton verbrachte ich zwei Nächte im wunderschönen Hullam Hostel. Dort gibt es eine riesige Veranda, in der sich das komplette soziale Leben im Hostel abspielt und es sehr einfach macht, andere Reisende zu treffen. An der Bar kann man zudem zu günstigen Preisen Snacks und Getränke kaufen.

Nach Albanien war es noch ein weiter Weg, deswegen verließ ich nach zwei Nächten das Hostel. Ich hatte einen ambitionierten Plan: Am Abend den Nachtzug von Belgrad in Serbien nach Bar in Montenegro erwischen. Für dieses Unterfangen war ich auf einen Bus zwischen Subotica und Novi Sad angewiesen, um diesen Bus zu bekommen darf der Zug nach Subotica nur wenig Verspätung haben. Zudem kann man für den Nachtzug nur Tickets in Serbien oder in Montenegro kaufen, ich musste also hoffen, dass noch Plätze verfügbar sind.

Mit einem IC ging es von Révfülöp bis nach Budapest-Kelenföld. In der ersten Stunde hielt der Zug an jeder Milchkanne um den Balaton an, danach fuhr er mit der für Ungarn sehr schnellen Geschwindigkeit von 120 km/h und wenigen Halten bis in die Hauptstadt. Mit dem Regionalzug G43 konnte ich von Kelenföld zum verrosteten Bahnhof Kőbánya-Kispest fahren, wo ich in den Zug nach Szeged im Süden Ungarns einstieg. Von dort fahren seit November 2023 wieder Züge nach Subotica, die aktuell einzige Zugverbindung vom Rest Europas nach Serbien.

Der Zug war gut gefüllt und es war schön zu sehen, dass viele Passagiere an den kleinen Bahnhöfen auf der Strecke aussteigen. Hier wurde ein attraktiver, grenzüberschreitender Nahverkehr geschaffen. Die Grenzkontrolle dauerte eine ganze Weile aber lag in der vom Fahrplan vorgesehenen Zeit und es war beängstigend zu sehen, was Ungarn für einen massiven Grenzzaun nach Serbien gebaut hat. Am Bahnhof Subotica waren die Bauarbeiten der Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Novi Sad in den letzten Zügen und man sah viele chinesische Arbeiter, die an den Gleisen und Bahnsteigen arbeiteten, das Projekt wird vom chinesischen Staat durchgeführt.

Bevor die Verbindung fertiggestellt ist, kommt man nur mit einer sehr langsamen Regionalbahn von Subotica über Sombor nach Novi Sad. Bei meinem straffen Zeitplan war das keine Option, deswegen lief ich 15 Minuten zum Busbahnhof und nahm den Bus nach Novi Sad (was tausendmal schneller ist als die Regionalbahn). Von dort aus fuhr ich auf dem ersten Abschnitt der neuen Hochgeschwindigkeitsbahn weiter nach Belgrad Central.

In Belgrad Central war ich das letzte Mal 2 Jahre zuvor. Nachdem sich jahrelang nichts getan hat und vor 2 Jahren der Eingang zum Bahnhof aussah wie ein Eingang zu einer U-Bahn-Station, ist das Empfangsgebäude inzwischen fertiggestellt. Alles ist herausgeputzt, schicke Architektur und nette Geschäfte. Das Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass für die Instandhaltung keinerlei Geld ausgegeben wird. Wie Toiletten nach einem Jahr so ranzig aussehen können, ist mir ein Rätsel, Toilettenpapier und Papierhandtüchern sind natürlich auch nicht vorhanden. Vieles in diesem Bahnhof wirkt auch nicht durchdacht, mal sehen, wie sich dieser Bahnhof in den nächsten Jahren entwickelt.

Für den Lovćen, den Nachtzug nach Bar, gab es in dieser Nacht leider nur noch Sitzplätze. Für die nächsten beiden Tage waren gar keine Tickets mehr zu bekommen, deswegen entschiede ich mich dafür ein Ticket für die Holzklasse zu kaufen. Die Nacht war natürlich nicht angenehm, ich konnte kaum schlafen. Das Licht war die ganze Nacht über an, im Wagon wurde geraucht und die Einheimischen feierten lautstark den Beginn ihres Badeurlaubs. Doch irgendwie war es auch cool dies einmal miterlebt zu haben.

Die Aussicht auf das Gebirge bei Sonnenaufgang war unglaublich, ich stand Ewigkeiten morgens am Fenster (natürlich eins zum Aufschieben). Angekommen in Bar machte ich dort ein Tag Pause und besichtigte mit Leuten, die ich im Hostel kennengelernt habe, Bars Altstadt Stari Bar.

Am Tag darauf hatte ich das Ziel, nach Durrës in Albanien zu gelangen. Nachdem ich vor zwei Jahren den Bus über die Grenze genommen habe, versuchte ich es dieses Jahr mit Trampen. Das funktionierte auch ganz gut, nach drei Mitfahrgelegenheiten kam ich in Shkodra an. Die ethnischen Konflikte in dieser Region kamen bei den Fahrten aber sehr klar zum Ausdruck, was ich dort hören musste, würde bei uns zur Volksverhetzung zählen. Von Shkodra nahm ich einen Bus nach Durrës und wartete dort einen Tag bei 37 Grad und 95% Luftfeuchtigkeit auf den Zug der Züge, dem Grund warum ich diese Reise angetreten bin.

Am Bahnhof Plazh in Durrës fährt am Freitag, Samstag und Sonntag ein Zug nach Elbasan, am Samstag und Sonntag kann man zudem Umsteigen in eine Stichstrecke nach Lushnje. Dieser Streckenabschnitt wurde erst wenigen Wochen bevor ich dort war wieder in Betrieb genommen. Der „Bahnhof“ besteht aus maroden Gleisen und einem Baucontainer in dem Tickets verkauft werden. Das Ticket hat ca. 1,20€ gekostet.

Die Diesellok tschechischer Bauart mit den alten DR/DB Wägen stand bereits zur Abfahrt bereit. Da die Wägen einst voller Graffiti waren, wurden diese mit roter Farbe überpinselt. Auf den Fensterscheiben sieht man hingegen weiterhin die Kunstwerke der Graffitikünstler, außer natürlich bei den Fenstern, die keine Fensterscheibe mehr haben. An einigen Stellen gab der Boden nach, die Inneneinrichtung war auf Funktionalität reduziert. Pünktlich um 14:00 fuhr der Zug los. Alles wackelte, während der Zug mit Schrittgeschwindigkeit durch die Vorstadt schlich. Fast durchgehend dröhnte die Lokpfeife, um Straßenhunde oder Menschen zu verjagen oder Autofahrer bei Bahnübergängen zu warnen. Schilf, Äste und Sträucher, die in die Fahrbahn hingen, schlugen in die offenen Fenster, man musste Acht geben um nicht von einem Ast erwischt zu werden. Als der Zug in den Tunnel fuhr, legte eine Schaffnerin eine Taschenlampe in den Mittelgang, um wenigstens etwas Licht im Wagon zu haben, Strom gab es natürlich nicht.

Immer wieder hielt der Zug an und weitere Passagiere stiegen in den Zug. Als ich pünktlich in Grogozhinë ankam und umsteigen musste, war der Zug gut gefüllt. Am zweiten Bahnsteig stand mein Zug nach Lushnje bereit. Ich war der einzige Passagier der umstieg, insgesamt waren in diesem Zug nur 6 Passagiere. Der Zug war fast identisch mit dem vorherigen. Die Wagons waren in etwas besserem Zustand, dafür die Lokomotive in schlechterem. Nach 45 Minuten in diesem Zug kam ich in Lushnje an. Ein Traum von mir ging in Erfüllung und die Fahrt war genauso abenteuerlich wie ich es mir vorgestellt habe. Ein Kuriosum in Europa das ich jedem nur wärmstens ans Herz legen kann.

Ich ging davon aus, dass es von Lushnje nach Berat bestimmt Busse gibt. Immerhin führt die einzige Straße nach Berat durch Lushnje oder an Lushne vorbei. Ich fragte mehrere Einheimische, alle sagten mir andere Positionen, wo der Bus denn abfahren sollte. Nachdem ich eine Stunde hin und her gelaufen bin, gab ich auf und streckte wieder meinen Daumen am Straßenrand hinaus um nach Berat zu gelangen.

In Berat blieb ich für zwei Nächte. Es ist eine richtig schöne Stadt in den Bergen, ein komplett anderes Stadtbild als in Durrës. Auch die Temperaturen waren hier wieder angenehm, ohne die unerträgliche Luchtfeuchtigkeit. Weiter hinten im Tal gibt es beeindruckende Canyons, leider war die Tour für den nächsten Tag die ich dorthin gefunden habe bereits ausgebucht weswegen ich den Tag mit wandern um Berat verbrachte.

Um 4:30 am Morgen fährt ein Bus direkt von Berat nach Korça. Das hielt ich für die Beste Möglichkeit, um in den Süden von Nordmazedonien zu gelangen. Vom Bus aus sah man über lange Abschnitte die alte Eisenbahnstrecke von Elbasan nach Pogradec, über die schon lange kein Zug mehr gefahren ist. Sehr schade, auf den vielen Brücken gäbe es bestimmt eine bombastische Aussicht. Aber auch vom Bus aus war diese beeindruckend. Von oben in den Bergen hatte man das erste Mal Sicht auf den Ohrid See, bevor man lange an diesem entlangfuhr.

In Korça stellte ich fest, dass es zwar viele Busverbindungen nach Griechenland gibt, aber keine nach Mazedonien. Das Trampen war ich inzwischen ja schon gewohnt. Diesmal war es aber echt schwierig, zur Grenze Gorica – Stenje fuhr nur vielleicht alle 5 Minuten ein Auto. Es dauerte eine ganze Weile, bis mich doch ein Transporter mitnahm. Dieser fuhr direkt bis nach Bitola, die Stadt in die ich wollte. Was ein großer Glückstreffer. Ich verbrachte den Nachmittag in Bitola mit Sightseeing und in Cafés. Abends um 18:23 fuhr mein Zug von Bitola nach Skopje. Es handelt sich um den ersten Zug der chinesischen Firma CRRC in Europa und dieser macht einen ganz guten Eindruck, vergleichbar mir S-Bahnen oder Regionalbahnen in Deutschland. Das Problem sind die Schienen, die in viele Abschnitte nur Geschwindigkeiten von 30 km/h zulassen. Mit über einer halben Stunde Verspätung kam ich so nach 4 Stunden in Skopje an, für eine Strecke von 180 km.

Der Bahnhof von Skopje ist unglaublich hässlich. Wie auch viele anderen Gebäude in der Stadt, wurden diese nach dem Erdbeben 1963 im brutalistischen Stil gebaut. Zudem verkommt er seit Jahren, Rolltreppen funktionieren nicht mehr, die Deckenverkleidung fehlt an vielen Stellen und es ist unglaublich schmutzig. Das Licht im Bahnhof ist außerdem sehr gedimmt, das bietet gleichzeitig aber auch eine ganz eigene Atmosphäre. Auch die vielen weiteren brutalistischen Bauten in der Stadt sind sehenswert.

Neben dem Brutalismus gibt es aber auch das neue Skopje, das Project 2014. Die Regierung hat viel Geld ausgegeben, um ein neues Stadtzentrum mit historisch aussehenden Gebäuden und vor allem ganz, ganz vielen Statuen zu erstellen. Auch wenn es viel Kritik an diesem Projekt gab, das Stadtzentrum ist heute eine große Fußgängerzone, in der viele Leute flanieren. Vor dem Projekt schoben sich hier Blechlawinen durch die Straßen. Ich war von Skopje sehr überrascht und kann es als Städtetrip sehr empfehlen, gerade da es so einzigartig ist.

Von Skopje nach Pristina wurde am 9. März 2020 der Bahnbetrieb nach vielen Jahren wieder aufgenommen, nur um 4 Tage später wegen Covid-19 wieder eingestellt zu werden. Seitdem wurde der Personenverkehr auf dieser Strecke nicht wieder aufgenommen. Somit war ich gezwungen einen Bus zu nehmen, der zugegebenermaßen sehr komfortabel und schnell war. Die Autobahninfrastruktur zwischen den beiden Städten ist beeindruckend, hier wurde die letzten Jahre sehr viel Geld investiert. Sehr schade ist es hingegen der Blick auf die alten Schienen neben der Autobahn, die nicht mehr verwendet werden.

Über Pristina habe ich leider nicht viel Gutes zu berichten, ich habe die Stadt als furchtbar autozentriert wahrgenommen. Überall stehen und fahren Autos, überall gibt es Autolärm. Es gibt nur eine einzige Fußgängerzone, diese ist am Abend natürlich völlig überlaufen. Als positives muss man sagen, dass man sehr gut sehr günstig und urig essen kann. Die Nationalbibliothek ist außerdem architektonisch interessant und kurios ist die Bill Clinton Statue.

Am zweiten Morgen in Pristina ging es weiter, diesmal wieder mit dem Zug. Im Kosovo gibt es aktuell nur eine einzige Eisenbahnverbindung, von Pristina nach Peja. Der Bahnhof von Pristina, der Hauptstadt des Kosovos, ist kleiner als die meisten Provinzbahnhöfe in Deutschland. Die Zuggarnitur bestand wie auch schon in Albanien aus einer einst tschechischen Diesellokomotive mit zwei ex-DB Wagons. Hier hatte die Lok aber eine schicke rote Lackierung und die sehr beeindruckenden Graffitis auf den Wagons wurde nicht überpinselt. Die Scheiben waren hier auch in allen Fenstern vorhanden, wenn auch oft mit Sprüngen und übermalt. Sogar elektrisches Licht im Tunnel gab es. Mit deutschen Standards vergleichbar ist der Zug trotzdem lange nicht gewesen.

Nach zwei Stunden kam ich in Peja an und verbrachte dort einige Zeit in einem Café und mit Besichtigung der Innenstadt mit dem bombastischen Bergpanorama. Dann brachte mich ein Bus über die Grenze nach Montenegro, wo ich in Berane ausstieg. Der Busfahrer war super, während 5 Leute auf der Straße mir ein Taxi andrehen wollten, sagte er mir wo ich warten muss um einen Bus Richtung Bijelo Polje zu bekommen. Der nächste Busfahrer war auch super, er fuhr nicht direkt bis Bijelo Polje sondern bot mir an mitzufahren bis die Abzweigung dorthin kommt. Ich fuhr dann sogar noch ein bisschen weiter, bis ich in der Nähe des Bahnhofs Ravna Rijeka ausstieg. Das ist ein Bahnhof mitten im Wald, zu dem nur ein Trampelpfad führt. Ich war etwas skeptisch, ob ein Zug hier wirklich anhält, das war zum Glück der Fall und der Zug brachte mich bis zur Grenzstadt Bijelo Polje.

Von hier aus fuhr ich mit dem Nachtzug Lovćen wieder zurück nach Belgrad. Diesmal hatte ich ein Liegeplatz im 6er-Abteil, das Ticket dafür habe ich mir nach Ankunft in Bar gekauft. Eine sehr angenehme Nacht, kein Vergleich zu den Strapazen auf dem Hinweg. Mit wie üblich etwas Verspätung kam der Zug in Belgrad an, wo ich den nächsten SOKO-Zug nach Novi Sad nahm. Da es zeitlich passte, entschied ich mich den langsamen Zug von Novi Sad nach Subotica über Sabor zu nehmen. Es hat Ewigkeiten gedauert, mit 40 Minuten Verspätung und somit 4 Stunden und 40 Minuten Fahrzeit für die 163 km lange Strecke kam ich in Subotica an. Ich habe gerade noch den Zug über die Grenze nach Ungarn bekommen.

Auf der anderen Seite der Grenze in Szeged wollte ich mir ein Ticket für den Nachtzug von Budapest nach Berlin kaufen, doch es gab wieder einmal nur noch Sitzplätze. Das wollte ich mir nicht noch einmal antun, somit entschied ich mich eine Nacht in Budapest zu verbringen. Für den Direktzug am Tag von Budapest nach Berlin gab es noch wenige Tickets in der 1. Klasse. Während die DB dafür über 250€ verlangte, wollte die MAV nur 119,50€. Da sagte ich zu und saß das erste Mal in meinem Leben in der 1. Klasse, in einem Zug der 12 Stunden durch Mitteleuropa fährt und ein hervorragendes Bordbistro hatte. Sehr erschöpft und voll von neuen Impressionen kam ich abends in Berlin an.

Mit dem Zug auf die Fähre: Urlaub in Sizilien

Eine der verrücktesten Zugverbindungen Europas muss die Verbindung nach Sizilien sein. Hier wird der Zug nämlich an der Fußspitze Italiens auf eine Fähre geladen, um die Meerenge von Messina zu passieren. Doch der Reihe nach.

Im Oktober 2021 verbrachte ich meinen Urlaub in Italien. Mit einem 4-Tage-Interrailticket ging es am ersten Tag von Stuttgart Hbf um 8:29 Uhr über die Gäubahn nach Zürich. Angekommen in Zürich hatten wir 10 Minuten Umsteigezeit um den EC um 11:33 Uhr nach Milano zu erwischen. Unser Zug hat in Deutschland zum Glück keine Verspätung aufgebaut, sodass wir pünktlich ankamen und den doch sehr knappen Umstieg meisterten, der schweizer Pünktlichkeit sei Dank.

Die Schweiz ist ein traumhaftes Eisenbahnland, beim Blick aus dem Fenster kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Entlang des Zürichsees schlängelt sich die Bahnstrecke, mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Vor dem Gotthard-Basis-Tunnel beschleunigt der Zug, bis er wie in einem magischen Portal verschwindet. 16 Minuten ist es dunkel vor dem Fenster, dann ist der längste Eisenbahntunnel der Welt mit 57km Länge durchquert und man befindet sich auf der Südseite der Alpen.

Pünktlich kammen wir in Milano Centrale um 15:17 Uhr an und hatten hier nochmal eine Stunde Aufenthalt, bevor wir mit dem Frecciarossa 5 Stunden lang nach Napoli Centrale fuhren, unserem ersten Stopp der Reise.

Schrill, eng, dreckig, chaotisch – so könnte man Napoli zusammenfassen. Doch gleichzeitig hat die Stadt auch einen ganz eigenen Charme. Hier ist nichts herauspoliert, sondern alles ist echt. Und die Geschichte, von der Zeit der alten Griechen über die Römer, den Kirchenstaat bis zum heutigen Italien, ist überall zu spüren. Mit hat die Stadt sehr gut gefallen, die Meinungen gehen hier allerdings auseinander.

Am ersten Tag besichtigten wir Pompeii, was ungefähr eine Stunde entfernt von Napoli liegt. Die Ausgrabungsstätte ist wohl die berühmteste römische überhaupt, da bis auf die Dächer der Gebäude die komplette Stadt noch enthalten ist. Mosaike, Wandgemälde, Putz – vieles wirkt, als wäre es gestern noch belebt gewesen. Das Gelände ist riesig und man kann hier ohne Probleme einen halben Tag verbringen.

Am zweiten Tag erkundeten wir die Stadt, besuchten Museen, machten eine Tour durch antike Tunnel unterhalb der Stadt und aßen natürlich Pizza. Die typische Pizza ist hier die Pizza Marinara, eine Pizza ohne Käse, nur mit Tomatensauce und etwas Knoblauchöl. Klingt sehr unspektakulär, schmeckt aber bombastisch.

Am nächsten Tag in Napoli wollten wir den Vesuv, der nur wenige Kilometer neben der Stadt thront, besteigen. Dazu ging es mit der Metro nach Ottaviano. Das richtige Ticket und die richtige Bahn zu finden war dabei alles andere als einfach, mit verschiedenen Tickets, Zuganbietern und Schranken vor den Gleisen ist es am besten, einfach Leute anzusprechen und nach der Richtung und dem richtigen Ticketautomaten zu fragen.

Auf OpenStreetMap haben wir einen Wanderweg ab Ottaviano bis zum Gipfel des Vesuvs gefunden. Dieser ist sehr wenig besucht, den ganzen Tag über begegneten wir genau eine weitere Person auf dem Vesuv. Die Aussicht war wunderschön, ganz hoch zum Krater kamen wir aber nicht, da hierfür Eintritt verlangt wird. Abends stiegen wir wieder ab und fuhren mit der Metro zurück zur Unterkunft, wo wir uns richteten, um dann unseren Nachtzug zu erwischen.

Um 22:36 Uhr ging es los in Napoli Centrale, auf dem Weg vom Vesuv zum Ätna. Wir hatten eine Liegewagenkabine zu dritt, aufgrund der Corona-Pandemie konnte man im Jahr 2021 nur private Kabien für Gruppen von bis zu 4 Personen buchen. Als wir einstiegen, hat es draußen genieselt und es war dunkel. Nachts wachte ich während des Rangierens auf die Fähre kurz auf. Ich sah vor dem Fenster, wir unser Wagon auf die Fähre rangiert wurde und dort festgemacht wurde. Das klackern der Schienen verwandelte sich während der Überfahrt zu einem Schaukeln und dem dumpfen Geräusch eines Schiffsmotors. Auf Sizilien angekommen, wurde der Wagon wieder aus der Fähre geschoben. Theoretisch hätte ich während des Geschehens weiterschlafen können, doch ich wollte in dieser Nacht das Geschehen verfolgen.

Als wir am nächsten Morgen die Schalosie öffneten, konnten wir den Ausblick der sich uns bot kaum fassen. Wir schauten auf das offene Meer, auf einen wolkenfreien Himmel, und einen Ätna im Hintergrund der gerade Asche in die Luft pustete. Es war unglaublich.

Nach kurzer Zeit kamen wir bereits um 7:45 Uhr in Catania Centrale an. Wir gingen zur Unterkunft und informierten uns über Touren auf dem Ätna in der Stadt, außerdem schwammen wir im Meer. Am nächsten Morgen ging es mit einem Tourguide zum Ätna. Drei Stunden lang wanderten wir in der schwarzen Asche, die Landschaft mit den vielen verschiedenen Vulkankratern sieht aus wie auf dem Mond. Am späten Nachmittag waren wir wieder in Catania und fuhren weiter nach Taormina, zum wohl am schönsten gelegenen Bahnhof der Welt.

Taormina ist der Inbegriff eines italienischen Küstendorfes. Das Dorf streckt sich den Hügel entlang, der Bahnhof liegt unterhalb direkt am Meer gelegen. Das lockt natürlich viele Touristen an, deswegen sind die Preise hier auch teurer als in anderen Regionen in Sizilien. Ein Besuch lohnt sich trotzdem.

Noch einen Tag später fuhren wir mit der Schmalspurbahn Circumetnea einmal um den Ätna. Neben dem regulären Bahnhof Giarre-Riposto befindet sich der erste Bahnhof dieser Bahn. Dort muss man auch das Ticket für die Strecke kaufen. Die Dieseltriebzüge dürften um die 50 Jahre als sein und die Anzahl der Passagiere war im ersten Abschnitt der Strecke bis Randazzo sehr überschaubar. Von der Bahn aus hat man durchgehend einen tollen Ausblick auf den Ätna sowie auf die Pistazienfelder, die sich am Fuße des Vulkans befinden.

Von Randazzo aus fahren Züge weiter nach Catania. Wir entschieden uns, eine Wanderung bis zum nächsten Bahnhof in unsere Richtung zu machen, den Bahnhof Gurrida. Anfangs liefen wir noch auf befestigten Straßen, irgendwann verwandelten sich diese zu Trampelpfaden, und am Ende mussten wir auf den Schienen laufen da es keinen Weg zu diesem Bahnhof gibt. Der Bahnhof lag mitten im Nirgendwo, am Horizont war eine Fabrik zu sehen, sonst nichts. Trotzdem hielt der Zug wie im Fahrplan vorgesehen pünktlich an und wie stiegen ein. Einige Stationen vor Catania verwandelt sich die historische Bahn in eine Metro, als sie in Biancavilla mehrere Stationen unterirdisch bediente. In Catania fährt die Bahn nichtmehr bis zum Bahnhof Catania Centrale, sondern man muss in die Metro umsteigen. Das ist im Ticket inklusive, die Aussicht ist im Untergrund erwartungsgemäß nicht vergleichbar mit dem Ausblick auf den Ätna.

UPDATE 2024: Die Route des Circumetnea wurde weiter verkürzt und reicht nun nur noch nach Paternò. Die Metro von Catania soll bis hierhin verlängert werden, bis dies der Fall verkehrt ein Bus-Ersatzverkehr zwischen dort und Catania.

Weiter ging es am gleichen Abend noch nach Siracusa, einer Stadt im Südosten der Insel mit einer wunderschönen Altstadt. Nach einer Nacht in unserer Herberge verbrachten wir hier den folgenden Tag, bevor unsere Zeit in Sizilien vorbei war und es von Siracusa nach Rom mit dem Nachtzug zurück ging. Es ist die gleiche Verbindung wie auf der Hinfahrt, nur diesmal komplett von der ersten bis zur letzten Haltestelle.

Angekommen in Rom, verbrachten wir hier weitere drei komplette Tage, um die Stadt zu besichtigen. Das reicht natürlich nicht aus, man könnte tagelang die Stadt besichtigen und immer noch etwas neues Entdecken. An jeder Ecke warten antike Gebäude und Ruinen, was man in der Schule über die Römische Geschichte lernte befindet sich auf einmal direkt vor einem. Es ist unvorstellbar, dass vor knapp 2000 Jahren in dieser Stadt bereits 1 Million Leute gelebt haben.

Irgendwann geht jeder Urlaub zu Ende, und so fuhren wir nach 3 Tagen in Rom wieder zurück nach Stuttgart über dieselbe Route, mit der wir auch nach Italien gekommen sind. Zuerst mit dem Frecciarossa nach Milano, dann mit dem EC nach Zürich und zuletzt mit IC nach Stuttgart. Was man doch nicht alles in 12 Tagen erleben kann!

Sizilien bietet sich als Urlaubsdestination im Oktober sehr gut an. Man entflieht dem Herbst in Deutschland, hat aber auch keine extreme Hitze wie im Hochsommer auf Sizilien (im Hochsommer des Jahres gab es auf Sizilien einen neuen Hitzerekord von 48,8°C). Die Anreise mit dem Zug ist unkompliziert möglich und unterscheidet sich in diesem Punkt erheblich von anderen Inseln die so weit im Süden liegen.

Durch die Tage in Napoli auf der Hinfahrt und Rom auf der Rückfahrt war die An- und Abreise in je einem Tag gut zu bewerkstelligen, die Fahrt nach Sizilien passiert über Nacht und man „verliert“ sozusagen keine Zeit innerhalb des Urlaubzeitraums für die Reise nach Sizilien und zurück. Wer doch nachts wach wird, erlebt das bizarre Schauspiel des Verladens eines Zuges auf eine Fähre. Die Circumetnea Bahn ist eine langsame Nebenstrecke, die Kombination aus Bahn und Vulkan in Europa gibt es in dieser Form auch nur auf Sizilien.

Ich hoffe ich konnte euch mit diesem Beitrag für Italien als Eisenbahnland begeistern und vielleicht eine Inspirationen für den nächsten Urlaub liefern.

Mit dem Dacia Express nach Rumänien und weiter nach Moldau

Im März 2024 fuhr ich für eine Exkursion meines Studiums von Berlin nach Rumänien, natürlich mit dem Zug. Bevor diese anfing, ging es für einige Tage noch in die Republik Moldau, laut einigen Medienberichten das am wenigsten besuchte Land Europas.

Der ICE 93 verbindet täglich Berlin direkt mit Wien. An unserem Abfahrtstag fuhr der Zug jedoch außerplanmäßig erst in Nürnberg los. Deswegen ging es für uns um 9:34 Uhr am Berliner Hbf mit einem ICE nach Nürberg Hbf, wo wir in den 40 Minuten Umsteigezeit die schöne Altstadt direkt neben dem Bahnhof besuchten. Um 13:32 Uhr fuhr dann der ICE T nach Wien Hbf ab. Die Strecke verläuft ab Regensburg entlang der Donau und ist sehr beeindruckend, eine schöne Kullisse um Sudokus zu lösen oder ein Buch zu lesen. Angekommen in Wien Hbf, hatten wir dort ca. 2 Stunden Aufenthalt. Im Restaurant Kaiser’s, einem urigen Restaurant ganz in der Nähe des Bahnhofs, aßen wir zu Abend. Natürlich gab es Wiener Schnitzel.

Um 19:42 Uhr war es schließlich so weit: Der Dacia Express, der Wien direkt mit Bukarest verbindet, fuhr am Wiener Hauptbahnhof los. Wir hatten zu zweit ein 3er Schlafwagen Abteil, das dritte Bett wurde während der Fahrt nicht mehr belegt, sodass wir das Abteil komplett für uns hatten. Die Betten waren sehr bequem, es gibt ein Waschbecken im Abteil mit Spiegel. Auch ein kleines Handtuch, Zahnpasta und eine Zahnbürste sowie eine Flasche Wasser bekommt jeder Passagier in dieser Klasse. Am Ende des Flurs gibt es Toiletten und sogar eine Dusche.

Wir konnten unser Glück über den gut ausgestatteten Schlafwagen kaum fassen und tranken gemütlich ein Bier im Abteil, welches wir zuvor in Wien kauften. Um 22:20 Uhr kam der Zug in Budapest-Keleti an, wo wir nochmals 50 Minuten auf weitere Fahrgäste warteten. Anschließend legten wir uns hin, wurden dann aber direkt wieder gegen 2:30 Uhr von den Grenzbeamten geweckt. Das ganze Prozedere dauerte wie immer ca. 2 Stunden, zuerst kommen die ungarischen Beamten, dann rollt der Zug über die Grenze, dann kommen die rumänischen Beamten. Die Reisepässe oder Personalausweise wurden elektronisch direkt im Wagon gescannt, was ich in dieser Weise sonst noch nirgends erlebt habe und den Prozess im Vergleich zu anderen Grenzen beschleunigt.

Am nächsten Morgen wachten wir auf mit Blick auf kleine Dörfer, Pferdekutschen und brennenden Müllbergen. In diesem Teil von Rumänien fühlt man sich wie auf einer Zeitreise, wir waren mitten in Transsilvanien. In der Nacht wurde an den Zug ein Bistro-Wagen angehangen, die Auswahl ist leider, abgesehen von alkoholischen Getränken, nicht gerade prickelnd. Es gibt labbriges Toastbrot mit Scheiblettenkäse zum Frühstück, dazu Kaffee aus einem Wasserkocher. Deswegen lieber etwas zum Frühstücken schon vor der Abfahrt besorgen.

Hinter Sigisoara wurden die Schienen merkbar schlechter, der Zug zappelte stundenlang über die abgefahrenen Gleise. An einigen Stellen konnte man große Baustellen sehen, die rumänische Bahn will ihre Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufholen. Ein Vorteil hat es: Die aktuell noch langsame Fahrt ermöglich es, die schöne Landschaft zu genießen die an einem vorbeizieht. Besonders beeindruckend ist diese auf der Strecke hinter Brasov. Es geht mitten durch die Südkarpaten, mit beeindruckenden Bergen zu beiden Seiten, die komplett schneebedeckt waren. Um 15:06 Uhr erreichten wir den Endbahnhof Bucuresti Nord.

In Bukarest blieben wir für eine Nacht in einem Hosten und erkundeten die Stadt. Diese hat zwei Gesichter: Zum einen die Kommunismus Bauten aus der Zeit von Ceaușescu, zu denen vor allem der Palast des Volkes und der Bulevardul Unirii gehören. Zum anderen die Altstadt welche auch „Le petit Paris“ genannt wird, das kleine Paris. Die beiden Baustiele könnten verschiedener nicht sein, wie sich das Stadtbild innerhalb von zwei Straßen verändert ist faszinierend.

Am zweiten Tag in Bukarest ging es abends weiter nach Chisinau. Schon von der Ferne ist zu erkennen welcher Zug wohl nach Chisinau fährt, die Wagons sind uralte Soviet-Wägen. Die Tickets kauften wir online bei der moldawischen Bahngesellschaft. Vor unserem Wagon erwartete uns ein freundlicher Schaffner, der uns in den Wagon begleitete und stolz den Holzofen sowie den Warmwasserkessel zeigte. Es klingt völlig verrückt und das ist es auch: Der Zug wird mit Holz beheizt. In jedem Wagon gibt es einen Holzofen, durch Leitungen wird die Wärme dann in jedes Abteil geleitet. Jeder Wagen hat demnach einen eigenen Schaffner, der regelmäßig Holz nachlegen muss.

Leider konnte ich nicht herausfinden, wie alt diese Wagons wirklich sind. Tafeln waren auf Russisch und Deutsch geschrieben. Ich vermute, dass dieser Wagon in einem früheren Leben zwischen der DDR und Russland unterwegs war. Mich würde es nicht wundern, wenn die Wagen schon seit über 60 Jahre in Betrieb wären.

Ein weiteres Highlight der Fahrt ist die Änderung der Spurweite direkt nach der Grenze zu Moldawien. Die Spurweite gibt die Distanz zwischen den Schienen an. In Moldawien hat das Schienennetz eine Spurweite von 1520 mm, in Rumänien gibt es eine Spurweise von 1435 mm, die typische Spurweite in Europa. Diese 8,5 cm Unterschied sorgen dafür, dass der Zugverkehr inkompatibel zueinander ist. Deswegen wird in der Nacht, nach der Grenzkontrolle, jeder Wagon auf eine Apparatur gestellt, die den Wagon anhebt. Das Fahrgestell wird davor gelöst, der Wagon schwebt dann ohne Räder über den Schienen. Die alten Fahrgestelle werden weggefahren und neue Fahrgestelle mit einer anderen Spurweise werden her gerollt, die Wagons werden wieder abgelassen und die Fahrt in Moldawien kann weiter gehen.

Dass bei dieser Zugfahrt wenig an Schlaf zu denken war, wird an dieser Stelle nicht mehr verwundern. Kaum ist man eingeschlafen, wurde man von den Grenzbeamten geweckt. Nachdem die Grenzkontrolle abgeschlossen war, kam das Umspuren der Wägen. Als dies auch abgeschlossen war, hoppelte man noch etwas über zwei Stunden über ramponierte Gleise und schon kam man mit wenig Schlaf in Chisinau an. Es ist definitiv ein Abenteuer, dass ich jedem empfehlen kann, eine erholsame Nacht sollte man sich von diesem Nachtzug aber nicht erhoffen. Das Bier im Bordbistro war übrigens lecker und günstig, dort konnte man auch mit rumänischen Lei bezahlen.

In Chisinau verbrachten wir drei Nächte. Dafür wie einige Artikel im Internet über die Stadt berichten, wirkt alles sehr aufgeräumt. Es gibt ein sehr gutes Busnetz, eine fantastische Auswahl an Speisen aus Ländern der ehemaligen UDSSR und freundliche Leute. Wirkliches Sightseeing kann man aber ehrlicherweise nicht betreiben, abgesehen von alten Lenin-Statuen gibt es wenig außergewöhnliches. Alle Museen kosten gerade einmal 50 Cent Eintritt, oft sind diese aber nur auf Rumänisch bzw. Moldawisch.

Ein Abend verbrachten wir in der Winzerei Cricova, einem Dorf 30 Minuten mit dem Bus von Chisinau entfernt. Dort gibt es den zweitgrößten Weinkeller der Welt. Einen weiteren Tag verbrachten wir in Transnistrien, einem de-fakto-Staat innerhalb des Staatsgebiets von Moldawien, der von keinem Land der Welt anerkannt wird. Hier lebt die Sowietunion noch weiter, unzählige Lenin-Statuen und Sowiet-Panzer sind in den Städten zu finden, auf den Straßen wird fast nur russisch gesprochen. Doch gleichzeitig wurde ich in einem Café von einer jungen Mitarbeiterin auf Englisch gefragt, ob ich Kuhmilch oder Kokosmilch für meinen Cappuccino haben möchte. Auch in diesem Flecken der Welt bleibt die Zeit nicht komplett stehen. Es war der merkwürdigste Ort auf der Welt den ich jemals besucht habe.

Am fünften Tag in Chisinau fuhren wir wieder zurück nach Bukarest, natürlich wieder mit dem Nachtzug. In diese Richtung bekam man mehr Schlaf ab, da das Umspuren und die Grenzkontrolle am späten Abend passiert und man anschließend auf den Schienen in Rumänien ohne Unterbrechung schlafen kann. Kurz nach Ankunft in Bukarest fuhren wir mit dem Zug weiter nach Brasov, wo wir den Tag mit Wandern in den umliegenden Bergen und Stadtbesichtigung verbrachten.

Am Tag darauf fuhren wir mit dem Zug nach Sibiu. Obwohl Sibiu eine bedeutendes Wirtschaftszentrum ist und Schienen von dort aus in alle Himmelsrichtungen wegführen, ist der Zugverkehr dorthin sehr schlecht. Mit einer Diesellok zuckelten wir fast 3 Stunden nördlich der Südkarpaten entlang, immer mit Blick auf die Berge zur linken Seite. In Sibiu waren wir dann eine Woche auf Exkursion, das Programm wurde von der Hochschule organisiert.

Nach Ende der Exkursion ging es für uns wieder zurück nach Berlin. Um 17:32 Uhr nahmen wir eine Regionalbahn, die noch komplett die DB Lackierung hatte und nur das Logo ausgetauscht wurde. Nach 1 1/2 Stunden in der heruntergekommenen Bahn kamen wir in Medias an, dort hatten wir nochmal knapp zwei Stunden Aufenthalt, bevor wir in den Dacia-Express nach Wien einstiegen, der in Medias einen kurzen Halt macht. Im Nachtzug hatten wir wieder den gewohnten Komfort von unserer Hinreise.

Am nächsten Morgen kamen wir pünktlich in Wien an und hatten dort ganze 14 Stunden Aufenthalt. Der günstigste Zug von Wien nach Berlin war für diesen Tag der Nachtzug im Liegewagen, inklusive Frühstück. Deswegen beschlossen wir im Voraus, einen Tag Städte Tripp in Wien einzulegen. Prater, Schloss Schönbrunn, Domkirche St. Stephan – an diesem Tag sahen wir alle Highlights von Wien. Um 22:10 Uhr ging es dann im 6er Liegewagen durch Tschechien zurück nach Berlin. Wie so oft hatten wir nette Abteilgenossen, mit denen man sich lange am Abend und am Morgen unterhalten hat, sodass die Fahrt sehr schnell vorbei ging.

Die meisten meiner Kommilitonen hatten sich für die Strecke von Berlin nach Sibiu für das Flugzeug entschieden. Zugegeben, die Reisedauer ist bedeutend kürzer und der Buchungsaufwand ist wesentlich geringer. Doch gleichzeitig haben wir so viel auf der Strecke erlebt und gesehen, was man beim Überfliegen des Gebiets nicht wahrnehmen kann. Tatsächlich wurde uns auf der Strecke nie langweilig, ich kam nicht einmal dazu das Buch, welches ich mitgenommen habe zu lesen. Sudoku lösen, einen Abstecher ins Bordbistro machen, Karten spielen, schlafen, und schon war man da.

3 Monate durch Europa – Teil 2: Italien, Balkan und Spanien

Im Jahr 2022 war ich für 3 Monate mit dem Zug in Europa unterwegs. Über die erste Hälfte dieser Reise, in der es einmal um die Ostsee ging, habe ich bereits einen Blogbeitrag geschrieben. In diesem Beitrag geht es um den weiteren Verlauf der Reise.

Eine Woche wanderte ich mit zwei Freunden auf dem Schluchtensteig im Süden des Schwarzwaldes. Die Anreise mit Zug und Bus nach Stühlingen funktionierte gut, ausgestattet mit Zelt, Schlafsack und Campingkocher liefen wir jeden Tag um die 20 Kilometer und schliefen nachts auf einem Campingplatz oder im Wald. Besonders die Wutach Schlucht ziemlich am Anfang der Strecke war sehr beeindruckend, auch der Schluchsee gehörte zu den Highlights.

Nach der Wanderwoche verbrachte ich wenige Tage bei meinen Eltern in Süddeutschland. Ich konnte hier einmal für Südeuropa umpacken und auf einen kleinen Rucksack umsteigen. Nach einigen Tagen ging es weiter, zum Wandern auf den Säntis in der Schweiz. Wir waren eine Freundesgruppe, die zusammen den Gipfel erklimmt haben. Während der Rest der Gruppe am Abend zurück nach Deutschland fuhr, ging es für mich mit dem Zug weiter nach Chur.

Am darauffolgenden Tag ging es mit dem Bernina Express von Chur nach Tirano, auf der höchstgelegenen Eisenbahnstrecke über die Alpen. Die Strecke bietet Blicke auf Gletscher und man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Fahrt im Panoramawagen mit riesigen Fensterscheiben und einer Dose Lindt-Schokolade als Präsent kostet mit dem Interrail Ticket lediglich einen Aufpreis von 28 CHF, die Fahrt im regulären Wagen ist sogar ohne Aufpreis antretbar. Ich entschied mich für den Panoramawagen. Für Fotografien ist der reguläre Wagen besser geeignet, da hier die Fenster geöffnet werden können, das ist im Panoramawagen nur im Zwischenwagenbereich möglich. Comfort und Ausblick ist logischerweise im Panoramawagen besser.

Abends ging es noch mit einem Ersatzbus nach Colico und von dort mit dem Zug weiter nach Milano. Dort legte ich nur eine Nacht ein, am nächsten Tag ging es mit dem Frecciarossa weiter nach Florenz. Der Zug braucht für die Strecke weniger als 2,5 Stunden, eigentlich besteht die Strecke fast nur aus Tunneln oder Brücken. In Florenz traf ich mich mit einer Freundin, welche dort gerade Urlaub machte. Ich war 9 Jahre zuvor schon einmal in Florenz und es war spannend, die Orte von damals wieder zu entdecken. Übernachtet habe ich in einem Hostel in Pisa, am nächsten Morgen ging es über die Cinque Terre weiter nach Levanto, wo ich den Tag wieder mit der Freundin verbrachte.

Den darauffolgenden Tag wollte ich eigentlich in Pisa verbringen, die Staffelpreise des Hostels sorgten aber dafür, dass ich über 80€ für die nächste Nacht für ein Bett in einem 8-Bett Schlafsaal hätte zahlen müssen. Leider ist Italien im Hochsommer kein Reiseland für Spontanreisende. Das nächstbeste Hostel mit bezahlbaren Preisen lag in Rom, also fuhr ich mit einem Regionalzug entlang der Küste nach Roma Termini. Immerhin hatte ich zwei Stunden vor Abfahrt des Zuges etwas Zeit, mit Pisa anzusehen. In Rom wollte ich diesmal auf jeden Fall das Koloseum besichtigen, das letzte Mal kam ich fünf Minuten zu spät an und es war bereits geschlossen. Das tat ich auch, außerdem freundete ich mit einer Gruppe von Australiern an, mit denen ich stundenlang im gemütlichen Garten des Hostels verbrachte.

Der nächste Ort war Salerno, der südlichste Punkt des Hochgeschwindigkeitsnetzes der italienischen Bahn. Hinter Neapel gibt es eine spektakuläre Sicht auf den Vesuv, der neben der Strecke emporragt. Das Hostel in Salerno war wieder übertrieben teuer und auch sehr dubios, man konnte nur in bar oder per Paypal for Friends bezahlen und am Eingangstor war nirgends zu erkennen, dass sich dahinter ein Hostel befindet. Ich habe mich unter den Gästen umgehört, abgesehen von mir schien das den wenigsten zu stören. Verglichen mit den Preisen, welche man in Positano für eine Nacht bezahlt, war das Hosten wiederum auch günstig. Nach Positano fuhr ich für einen Tag mit der Fähre. Das Dorf ist unglaublich schön, es ist der Inbegriff eines italienischen Küstendorfs und ich würde es als „Cinque Terre in noch schöner“ bezeichnen. Es war aber auch sehr überlaufen und unglaublich warm, nahezu 40 Grad. Ich machte eine Wanderung den Berg hinauf und kam völlig verschwitzt oben an. Auch der kleine öffentliche Sandstrand, für den man keinen Eintritt bezahlen musste, war italientypisch sehr schmutzig, während ein Grosteil des Standes in Privatbesitz sind. Salerno selbst hat Ähnlichkeiten mit Neapel, nur dass die Straßen hier etwas breiter sind und die Häuser etwas größer. Es gibt viele kleine Geschäfte, Cafés und Restaurants.

Ich hatte zwar eine tolle Zeit in Italien, aber das Land war mir im Hochsommer zu teuer und ich war von den Touristenmassen genervt. Deswegen wurde es Zeit zum Weiterreisen. Nach zwei Tagen in Salerno und Umgebung ging es weiter nach Bari, noch weiter im Süden an der Adriaküste. Ich habe mir ein Ticket für eine Fähre nach Bar in Montenegro gebucht.

Genauso korrupt und dubios wie das Hostel in Salerno, erlebte ich leider auch den Fährhafen in Bari. Es gab einen Shuttelbus zum Tickethäuschen, welches nur mit diesem Bus oder mit dem Auto zu erreichen war. Der Bus war viel zu klein und es versammelte sich eine große Menschentraube, die darauf wartete, dass der Bus wieder ankommt. Zusätzlich gab es einen stämmigen Mann, der dafür sorgte, dass nur Leute, die ihm davor einen Euro gegeben hatten, in den Bus einsteigen konnten. Natürlich standen Taxifahrer neben dem Geschehen, die für die fünf Minuten Fahrzeit eine viel zu teuren Preis verlangte. Beschwerde beim Sicherheitspersonal war erfolglos, alle waren in diese Machenschaften eingeweiht. Zusammen mit anderen Interrail Reisenden, welche ich in dem Getümmel kennengelernt habe, schafften wir es, durch geschicktes Stehen beim Öffnen der Türe den stämmigen Mann zur Seite zu drücken und zur Fähre zurück zu gelangen. Die Fährenfahrt war leider auch nicht viel besser, die Sitze waren super unbequem und ich konnte in der Nacht kaum schlafen. Der Aufpreis für eine Kabine hätte sich an dieser Stelle gelohnt.

Angekommen in Montenegro waren die Strapazen schnell vergessen. Im Polizeirevier am Hafen bekam ich einen Stempel in meinen Reisepass, etwas, was in Europa immer schwieriger wird (was auch gut ist, ich liebe das Schengen Abkommen). Das Hostel für 12€ die Nacht war super, die Besitzerin ließ sich viel Zeit mir alle Sehenswürdigkeiten auf einer Karte zu zeigen und die anderen Reisenden in diesem Hostel waren allesamt sympathisch und wir unternahmen jeden Tag etwas gemeinsam. Einen Tag wanderten wir zu einem Wasserfall, unter dem man baden konnte und es direkt daneben eine gemütliche Bar für 2€ die Flasche Bier gab, wohlgemerkt mitten in der Natur. Einen Tag ging es in die wunderschöne Altstadt von Bar, welche etwas abgelegen weiter oben am Berg liegt. Und mit dem Zug fuhren wir einen Tag nach Virpazar, wo wir per Anhalter zu einem abgelegenen Badesee gelangten und abends wieder mit dem Zug zurückfuhren.

Züge in Montenegro sind etwas Einmaliges, das Wagenmaterial ist bereits viele Jahrzehnte alt und voller Graffiti, von außen geben sie kein gutes Bild ab. Innen drin gibt es aber bequeme Sessel, von der Gemütlichkeit her kann da kein aktueller Zug mithalten.

Nach drei Nächten in Bar fuhr ich mit einem Bus über die Grenze nach Shkodra in Albanien. Ich liebe dieses Land, welches bis 1990 vom Rest der Welt völlig abgeschieden war und erst in den letzten Jahren sich geöffnet hat. Was mich so fasziniert ist, dass alles funktionabel ist. Damit meine ich, dass ein Auto hier nicht schick aussehen soll oder kein Kratzer haben soll, sondern ein Auto soll fahren. Und das gleiche gilt für alle andere Bereiche genauso. Die Menschen machen einen sehr zufriedenen Eindruck, ich unterhielt mich lange mit einem Gemüsehändler, der viele Jahre in Deutschland gearbeitet hatte nun aber wieder zurück in sein Heimatland gekommen ist. Er erzählte mir, dass er zwar hier weniger Geld hat, aber glücklicher ist. Als ich ein Eis kaufte und nicht passend bezahlen konnte, gab die Verkäuferin mir das Eis einfach günstiger, bevor sie sich den Aufwand machen musste, mir Wechselgeld zu geben. So Etwas wäre in Deutschland undenkbar.

Mein Hostelbesitzer lieh mir sein bestes Fahrrad aus, es gab nur noch einen funktionierenden Gang und eine halbwegs funktionierende Bremse, das Hinterrad hatte einen Achter und stieß bei jeder Umdrehung an den Rahmen, der Sattel knickte bei falscher Gewichtsverlagerung nach vorne. Mit diesem Rad fuhr ich durch den chaotischen Straßenverkehr dieser Stadt. Wem das abenteuerlich vorkommt, ich sah einen Vater auf einem Fahrrad, dessen Tochter auf dem Gepäckträger stand und sich an seinen Schultern festhielt. Nach zwei Tagen in Shkodra in denen ich unter anderem auch die Burg besichtigte ging es wieder zurück nach Montenegro. Für die Busse konnte man keine Tickets vorab kaufen, ich kam 30 Minuten vor Abfahrt an aber der Bus war schon voll. Also trampte ich über die Grenze was wunderbar funktionierte. An einem weiteren Abend im Hosten in Bar ging ich mit anderen Reisenden nochmal zu einem Strand wandern und hatte einen sehr schönen letzten Abend am Meer.

Am nächsten Morgen ging es mit dem Zug nach Belgrad, über eine der schönsten Bahnstrecken Europas. Eigentlich sollte der Zug einen Barwagen führen, als ich am Bahnhof eintraf sah ich, dass dies nicht der Fall ist. Im Bahnhof konnte ich mir schnell noch ein belegtes Brötchen kaufen. Im Zug traf ich zu meiner Überraschung zwei der Reisenden, die ich in Bari am Fährhafen getroffen habe, wieder. Wir verbrachten die Zugfahrt zusammen, zum Beispiel mit Karten spielen. Über Stunden hinweg schlängelt sich der Zug langsam durch das Gebirge. Am Grenzbahnhof nach Serbien kam ein Mann mit einer Tasche hinein, der „Piwa, Woda, Sok, Piwa, Woda, Sok“ ruf. In meinem Kopf ratterte es, bis ich mit meinen minimalen Russischkenntnissen verstand, was der Mann verkaufte: Wir kauften ihm drei Bier ab. Später stieg ein Mann ein, der seinen Gaskocher im Gang aufstellte und Kaffee kochte, den er ebenfalls unter den Fahrgästen verkaufte. Auch ohne Barwagen wurde man so teilweise mit Getränken versorgt.

In Belgrad blieb ich nur eine Nacht, es war bereits spät abends, als ich im Hostel ankam. Früh am nächsten Morgen stand ich auf, um mit dem Zug nach Budapest zu fahren, etwas was im Jahr 2022 nahezu unmöglich war. Serbiens Bahninfrastruktur ist völlig überaltert, die Regierung hat nun angefangen die Schienen zu ersetzen. Während der Zeit sind viele Eisenbahnkorridore komplett gesperrt. Zuerst ging es mit dem neuen Schnellzug von Belgrad nach Novi Sad, dem einzigen fertigen Teilstück der neuen Infrastruktur. In Novi Sad ging es vom Rangierbahnhof aus über vier Stunden hinweg nach Subotica, im Zug waren eigentlich nur Interrail Reisende, die mindestens genauso verrückt waren wie ich. Hier lernte ich auch die bisher einzige Person kennen, die in Albanien bereits mit dem Zug gefahren ist. Dann ging es 10 Minuten lang mit einem Shuttlezug über die Grenze nach Ungarn, dann mit einem Ersatzbus nach Szeged und von dort konnte man einen Zug nach Budapest nehmen. Das Ganze dauerte ungefähr 10 Stunden, aber es funktionierte. In Budapest kaufte ich mit am Bahnhof noch ein Ticket für den Nachtzug nach Berlin, der 30 Minuten später losfahren sollte.

In Berlin war ich vor allem, um eine Wohnung in meinem neuen Wohnort zu finden. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zusage für das Studium an der htw Berlin, aber der Wohnungsmarkt ist in dieser Stadt leider sehr angespannt. Mit etwas Glück schaffte ich es, eine Wohnung in diesen Tagen in Berlin zu finden. Der zweite Grund für die lange Fahrt nach Berlin war ein Konzert, für das ich mir vor 1,5 Jahren ein Ticket gekauft habe. Das Konzert musste wegen Unwetter leider abgesagt werden, zufälligerweise war meine Schwester am gleichen Abend auch in Berlin für ein anderes Konzert, welches ebenfalls ausfiel. Gemeinsam verbrachten wir den Abend in Bars, um über den Frust hinweg zu kommen.

Nach den Tagen in Berlin ging es für einige Tage nochmals zu meinen Eltern, wo ich einige organisatorische Dinge erledigen musste und mich mit alten Freunden traf. Mein Interrail Ticket war noch eine Woche gültig und so beschloss ich, nochmals loszufahren. Mit dem 9€ Ticket fuhr ich nach Strasbourg, von dort aus mit dem TGV nach Paris. Hier verbrachte ich einige Tage bei einer Reisebekanntschaft, welche ich in Bar in Montenegro kennengelernt habe. Danach ging es mit einem weiteren TGV bis nach Hendaye, an der Grenze zu Spanien. Dort verbrachte ich die letzten Tage der Reise mit der Freundin, mit der ich auch die ersten Tage der Reise in Schweden verbrachte. Ich versuchte das erste Mal in meinem Leben zu surfen (wenig erfolgreich) und wir waren ein Tag in San Sebastian auf der spanischen Seite. Dorthin fährt eine Schmalspurbahn direkt vom Vorplatz des Bahnhofs in Hendaye. Leider ist dies der einzige Grenzüberschreitende Verkehr in dieser Gegend, obwohl die Infrastruktur eigentlich da wäre und in Irún, nur wenige Kilometer entfernt, Züge nach Madrid abfahren.

Zurück ging es wieder über Paris und Strasbourg, diesmal alles an einem einzigen Tag. Alles in allem waren die Tage an der Atlantikküste ein sehr schöner Abschluss dieses Lebensabschnitts.

3 Monate durch Europa – Teil 1: Skandinavien und Baltikum

Im Sommer 2022 hatte ich mir ein Vierteljahr frei genommen, bevor ich mein Masterstudium angefangen habe. Die Zeit verwendete ich, um mir einen Traum zu erfüllen: Ich kaufte ein Interrailticket für 3 Monate und reiste ein Vierteljahr lang durch Europa. Nach 2 Jahren Pandemie sah ich den Zeitpunkt dafür gekommen.

Mit einem Interrailticket darf man praktisch alle Züge im europäischen Ausland benutzen, für das eigene Land gilt das bloß für 2 Tage, welche normalerweise für die Ausreise und Einreise gedacht sind. Als es Mitte Juni los ging, fuhr ich deswegen am ersten Tag komplett durch Deutschland, von Baden-Württemberg aus bis nach Dänemark. Mit dem ICE ging es bis nach Hamburg, von dort aus mit dem „Gumminase“ genannten Zug nach Kopenhagen.

In Kopenhagen erwartete mich wie erwartet eine superfahrradfreundliche Stadt, das wird in den Medien ja oft genug erwähnt. Das musste ich natürlich ausprobieren und lieh mir ein Fahrrad aus. Es dauert eine Weile, bis man sich an die Verkehrssituation gewöhnt hat, gerade beim Abbiegen. Wenn man es aber einmal begriffen hat, fühlt man sich wie ein König auf dem Fahrrad, auf breiten Fahrbahnen kommt man rasend schnell von A nach B. So etwas habe ich davor noch nicht erlebt. Von diesen Zuständen ist man in Berlin, wo ich aktuell wohne und viel mit dem Rad unterwegs bin, leider noch sehr weit entfernt.

Kopenhagen ist auch architektonisch eine wunderschöne Stadt; warum die kleine Meerjungfrau zu den Hauptattraktionen zählt, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Ich hatte das Gefühl, dass es jedem vor der kleinen Statue so geht, dann trotzdem ein Bild gemacht wird und man schnell weiterzieht. Der Streetfoodmarket auf der anderen Seite des Kanals ist es z.B. tausendmal mehr wert, besichtigt zu werden. Da es die ersten Tage des alleine Reisens für mich waren, verabredete ich mich mit anderen Alleinreisenden über Couchsurfing Hangouts, eine super Möglichkeit andere Reisende kennenzulernen.

Nach 3 Tagen in Kopenhagen ging es weiter nach Schweden, über die Öresund Brücke bis nach Göteborg. Den Tag darauf machte ich einen Tagesausflug nach Karlstad, am nördlichen Ende des Vänern, des größten Sees Schwedens. Den ganzen Tag verbrachte ich in einem Park neben der Stadt. Es war ein warmer Tag, ich badete im See und besichtigte ein Naturschutzgebiet am Rande des Parks.

Es war der 24. Juni, der Freitag nach dem Sommeranfang. In Schweden wird an diesem Tag das Mittsommerfest gefeiert. Pünktlich zu diesem Tag bekam ich Besuch: Meine Schwester war mit ihrem Freund auf dem Rückweg von Norwegen, zusätzlich reiste eine Freundin aus Deutschland an, um die nächsten zwei Wochen mit mir mitzureisen. Wir verbrachten den Abend im Slottsskogen Park, wo die große Feier der Stadt stattfand. Der Park war brechend voll. Der offizielle Teil der Feier war ganz nett, richtig toll wurde es aber erst, als am späten Abend (wirklich dunkel wurde es nie) ein Rave im Park stattfand.

Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von meiner Schwester mitsamt Anhang und fuhren zu zweit nach Mellerud. Von dort trampten wir bis nach Håverud, einem Dorf, welches für seine Schiffsbrücke bekannt ist. Diese Brücke ist mit Wasser gefüllt und überquert einen Wasserfall, bevor es in mehreren Schleusen hinunter zum nächsten See geht. Direkt über der Brücke verlaufen auch Bahngleise, welche inzwischen nur noch von dem historischen Zug von DVVJ befahren werden. Kurz: Der Anblick ist einmalig.

Eigentlich wollten wir in Håverud Kanus ausleihen, wird fanden jedoch keinen Verleiher, der Ausrüstung für Mehrtagestouren anbot. So trampten wir noch weiter bis nach Bengtsfors, wo wir an einem Campingplatz fündig wurden. Vier Tage lang fuhren wir über die Seen Låxsjön, Svärdlång und Lelång. Es war traumhaft schön und ruhig, den ganzen Tag lang begegneten wir maximal 10 anderen Kanus, ansonsten hatten wir nur Natur um uns herum. Wir schliefen im Zelt oder in Schutzhütten, die an ausgewiesenen Campingspots zu finden sind. Hier gibt es auch immer Holz für ein Lagerfeuer. Das Ganze wird über eine Gebühr finanziert, welche man bezahlen muss, wenn man im Dalsland mit dem Kanu unterwegs ist.

Was in dieser Region auf jeden Fall nicht vergessen werden darf, ist Mückenspray. Sobald man in Ufernähe kommt, wimmelt es nur so von Stechmücken. Es empfiehlt sich weite, langärmlige Klamotten anzuziehen und jeden Zentimeter, der nicht von Stoff bedeckt ist, einzuschmieren. Und wenn man auch nur eine kleine Stelle vergessen hat, zum Beispiel hinter den Ohren, die Mücken werden sie finden.

Wieder zurück am Campingplatz füllten wir unsere Energiereserven an einem Pausentag wieder auf. Ein Tag später ging es nach Stockholm, dazu fuhren wir zuerst mit dem historischen Zug der DVVJ von Bengtsfors zurück nach Mellud. Im Zug waren außer uns nur schwedische Touristen, welche alle in Håverud ausstiegen. So waren wir die einzigen Passagiere des Zugs, als wir über die Schiffsbrücke fuhren und weiter nach Mellerud. Von dort ging es zurück nach Göteborg und dann mit dem SJ3000, dem schwedischen Hochgeschwindigkeitszug, nach Stockholm. Spannend ist vielleicht noch, dass es in Schweden ein größeres Lichtraumprofil gibt als in Deutschland. Züge sind deswegen meist breiter, weswegen es drinnen breitere Sitze oder fünf Plätze in einer Reihe gibt. Dann gibt es auf der einen Seite zwei Sitze, auf der anderen Seite drei Sitze. Wenn man einen Platz mit Tisch erwischt, kann man sich zu sechs wunderbar unterhalten. Ideal für Leute, die mehr als drei Freunde haben.

In Stockholm verbrachten wir 2 Tage zum Besichtigen der Stadt und einiger U-Bahnhöfe, welche teilweise sehr kunstvoll gestaltet sind und deswegen zu den Touristenattraktionen zählen. Danach ging es weiter in den hohen Norden bis nach Narvik in Norwegen. Die Strecke ist 1.454 km lang, der Zug braucht dafür über 18 Stunden. Wir teilten unser 6er-Liegeabteil mit einem Pärchen aus Kopenhagen und einem 35-jährigen mit seinem Vater, beide Gruppen fuhren in den Wanderurlaub. Wir unterhielten uns lange mit ihnen über Gott und die Welt, spielten Karten und waren ein bisschen traurig, als die letzten unserer Abteilgenossen in Abisko ausstiegen. Doch der atemberaubende Ausblick über den Narvikfjord kurz vor dem Ziel machte das wieder wett.

Unser Ziel war Tromsø, die größte Stadt nördlich des Polarkreises. Um dort hinzukommen, gibt es Busverbindungen, diese sind aber so wie alles in Norwegen sehr teuer. Wir versuchten es wieder mit Trampen, was diesmal aber nicht funktionieren wollte. Nach 90 Minuten, wir wollten fast schon aufgeben, hielt doch noch ein Auto an. Daraufhin klappte alles wieder wie geschmiert, vier Mitfahrgelegenheiten später kamen wir in Tromsø an.

In Tromsø bestiegen wir direkt am ersten Abend den Storsteinen, den Hausberg der Stadt. Da es dauerhaft hell war, hatten wir bereits einen verschobenen Tagesrhythmus und es war schon fast Mitternacht, als wir oben auf dem Berg ankamen. So bot sich uns ein wunderschöner Ausblick über die Stadt, die Fjorde, die schneebedeckten Berge und die tiefstehende Sonne. Innerhalb der Tage wurden übrigens alle Temperaturrekorde gebrochen: Wir hatten nachts noch über 20 Grad, tagsüber waren es sogar 30 Grad. Un das in Tromsø, einer Stadt in der subpolaren Zone. Auf dem Rückweg in unser AirBnB nahmen wir einen Nachtbus, der nachts um 3 Uhr Nachtschwärmer nach Hause brachte – und heute Nacht auch Wanderer mit einem verschobenem Tagesrhythmus.

Die nächsten Tage wurde ich krank, deswegen habe ich nicht mehr viel von Tromsø gesehen, sondern kurierte mich aus. Nur einmal besuchte ich die Altstadt, es war gerade ein Kreuzfahrtschiff im Hafen. Die ganze Stadt war geflutet von Pauschaltouristen, das vermieste die Stadtbesichtigung leider.

Nachdem ich wieder fit genug dafür war, trampten wir wieder Richtung Süden. Eigentlich wollten wir wieder bis Narvik und dort noch einmal wandern gehen, das Trampen lief aber diesmal so gut, dass wir kurzfristig entschieden, noch auf die Lofoten zu fahren. Als es später wurde und deswegen weniger Fahrzeuge unterwegs waren – wir waren schon seit einigen Stunden auf den Lofoten – stellten wir das Zelt abseits der Straße auf. Am nächsten Morgen strecken wir wieder den Daumen raus und wurden zügig mitgenommen. Auf der Insel Vestvågøya gibt es ein Hostel, welches für norwegische Verhältnisse preiswert ist. Dort stellten wir unser Gepäck unter und wanderten durch die traumhaft schöne, wenn auch verregnete Landschaft. Für die Nacht gab es im Hostel kein freies Bett mehr, deswegen übernachteten wir nochmals im Zelt, direkt am See mit Blick auf dunkelgrüne Wiesen, Berge und das Meer.

Es war mein 27. Geburtstag, an diesem Tag wollten wir den imposanten Berg, der vor unserem Zelt in die Höhe stieg, besteigen. Alles war sehr nass und rutschig und als wir in die Wolken kamen, mussten wir leider umdrehen. Im Hostel gönnten wir uns dann das erste Mal ein nicht selbst zubereitetes Abendessen in Norwegen und ein Bier für „nur“ 9€.

Im Schlafraum hatte es einen Rollladen, endlich konnte man wieder ohne Schlafmaske schlafen. Ein Tag später ging es nun wirklich nach Narvik. Wir versuchten unser Glück wieder mit Trampen und hatten als Backup eine Busverbindung. Die erste Hälfte der Strecke haben wir mit Trampen hinbekommen, für die zweite Hälfte mussten wir auf den Bus umsteigen. Nach Einkaufen in Narvik ging es mit dem Zug wieder Richtung Stockholm, wobei ich nur bis Abisko fuhr, während meine Reisebegleitung komplett bis Stockholm und von dort weiter nach Deutschland fuhr.

In Abisko gibt es einen riesigen Nationalpark, der Bahnhof ist gleichzeitig der Startpunkt des Kungsleden, einem Fernwanderweg durch die großen dünnbesiedelten Gebiete in Nordschweden. Ich fand hier ein großartiges Hostel mit vielen kommunikativen Leuten, was die Umstellung auf das alleine Reisen sehr einfach machte. Neben Wandern im Nationalpark und Zuschauen einer wissenschaftliche Vogelbestimmung war das Hostel selbst auch schon ein Highlight. Auch im eiskalten Torneträsk schwamm ich ganz kurz, direkt danach ging es in die Sauna, welche jeden Abend den Mittelpunkt des Hostels darstellte.

Mein nächster Punkt der Reise sollte Rovaniemi, der offizielle Sitz des Weihnachtsmannes, im Norden von Finnland sein. Um dort hinzukommen, musste ich eine Nacht in Luleå einlegen. Von Luleå aus fahren seit einigen Jahren wieder Züge nach Haparanda direkt an der finnischen Grenze. Grenzüberschreitenden Verkehr gibt es hier aber leider nicht, wer nach Finnland weiter möchte, muss über die Grenze in den finnischen Teil der Stadt laufen und einen Bus nach Kemi nehmen. Das tat ich auch und wartete dann in Kemi auf den Ersatzverkehr nach Rovaniemi, da gerade an der Strecke gebaut wurde.

In Rovaniemi lieh ich mir an einem Tag ein Fahrrad aus und besuchte das Weihnachtsmanndorf. Es war völlig abstrus, es hatte 20 Grad und Leute liefen mit T-Shirts umher, während überall Weihnachtsmusik lief und Elfen herumstapften. An mehreren Stellen konnte man mit dem „echten“ Weihnachtsmann reden und anschließend überteuerte Bilder von diesem historischen Moment erwerben. Meine Erwartung von Kitsch und Absurdität wurde sogar noch übertroffen – und ich fand es toll. Mehr Anspruch hatte das Arktikum, ein Museum über die Arktis und das Leben der Samen, den Ureinwohnern der Arktis. Ich verbrachte dort ganze fünf Stunden.

Nach zwei Tagen ging es weiter nach Helsinki. Dafür nahm ich den Nachtzug, welcher auch „Santa-Clause Express“ genannt wird. Ich gönnte mir eine eigene Kabine mit eigenem Badezimmer und Dusche, um einen meiner bescheuertsten Bucketlist-Einträge zu erfüllen: Einmal im Leben im Zug duschen! Einen so modernen und komfortablen Nachtzug habe ich bisher noch nicht gesehen. Alle Abteile hatten ein Doppelbett, die Wagons hatten zwei Stockwerke. Für jede Kabine gab es Zimmerkarten, um das Abteil zu verschließen, wenn man im Restaurantwagen etwas zu Abend isst.

In Helsinki besichtigte ich für zwei Tage die Stadt. Architektonisch hat diese Stadt unglaublich viel zu bieten, sowohl historisches als auch moderne Architektur. Es fängt direkt mit dem imposanten Hauptbahnhof an, direkt daneben befindet sich die moderne Bibliothek Oodi, auch nicht weit entfernt die Temppeliaukion Kirkko. Mit der Fähre kann man auf die kleine Insel Suomenlinna fahren, welche früher eine Festung war und heute viele Ruinen sowie Museen beinhaltet.

Nach zwei Tagen ging es mit der Fähre über den Finnischen Meerbusen nach Tallinn, der Hauptstadt Estlands. Fährverbindungen gibt es haufenweise und sind nicht teuer. Tallinn ist durch seine Altstadt mit Mittelalter-Flair auf eine ganz andere Weise wunderschön. Vor vielen Jahren hatte ich einen estnischen Straßenmusiker über Couchsurfing in meinem Studentenzimmer in Stuttgart übernachten lassen, jetzt konnte ich im Gegenzug bei Ihm kostenlos auf der Couch schlafen.

Von Tallinn gibt es nur eine Verbindung am Tag, wenn man mit dem Zug nach Riga fahren möchte. Dazu nimmt man einen frühen Zug bis nach Valga an der Grenze zu Lettland und wartet dort mehrere Stunden auf den Zug nach Riga. Aufgrund des schlecht abgestimmten Fahrplans braucht man fast 10 Stunden, bis man in Riga ankommt, mit dem Auto sind es 4 Stunden. Im Zug traf ich zwei Stuttgarter, die ebenfalls mit dem Interrailticket durch das Baltikum reisten. Zusammen verbrachten wir die Zeit in Valga in einem Café, spielten Karten und tauschten Reisegeschichten aus.

In Riga blieb ich für drei Nächte im Cinnamon Sally Backpackers Hostel, einem der besten Hostelerfahrungen, die ich jemals gemacht habe. Es gab ein richtig gemütliches Wohnzimmer, in dem immer angenehme Leute hockten, es gab ein tolles Frühstückbuffet und das Personal hat einen ausgiebig über Aktionen im Umfeld der Stadt informiert. So wurde mir ein Tagesausflug mit dem Zug nach Jūrmala empfohlen, einem Dorf am Meer 30 Minuten von Riga entfernt. Hier gab es einen wunderschönen Sandstrand. Wie überall in Lettland kommen alte Dieseltriebzüge aus der Zeit der UDSSR zum Einsatz.

Nach Litauen musste ich auf den Bus umsteigen, seit der Pandemie fährt der einzige Zug zwischen den beiden Ländern nicht mehr. Deswegen fuhr ich mit dem Flixbus nach Vilnius, verbrachte dort einen halben Tag und fuhr dann weiter nach Kaunas, wo ich ein Hostel für die Nacht hatte. Beides sind sehr schöne Städte, die vielen Fußgängerzonen haben mich positiv überrascht.

Einige Tage davor erfuhr ich per Zufall, dass seit zwei Wochen wieder am Wochenende Züge zwischen Litauen und Polen fahren. Deswegen musste ich für diese Strecke keinen Bus buchen, sondern fuhr von Kaunas nach Białystok über die sogenannte Suwalki-Lücke, einem kleinen Korridor zwischen Kaliningrad und Belarus, welcher Polen und Litauen verbindet. Von Białystok ging es mit dem nächsten Zug direkt weiter nach Warschau, wo ich mir am darauffolgenden Tag die Stadt bei einer Free Walking Tour ansah.

Drei Tage später wollte ich im Schwarzwald sein; um die Inbound-Journey meines Interrail Tickets noch aufzubewahren, musste ich um Deutschland außen herum fahren. Mit dem Nachtzug ging es von Warschau nach Wien, wo ich mit über 2 Stunden Verspätung ankam. Dort ging es direkt weiter, mit dem Railjet durch die Alpen bis nach Zürich. Auf dieser Strecke hatte ich nochmals 1 Stunde Verspätung. Pünktlich ging es dann von Zürich weiter nach Konstanz, wo ich 24 Stunden nach Abfahrt in Warschau ankam.

Da der Beitrag bereits sehr lang ich, breche ich an dieser Stelle ab und teile den Reisebericht in zwei Teile auf. Im nächsten Teil geht es einmal über die Adria, anschließend nach Berlin und auch noch nach Spanien. Seid gespannt.

Auf den in diesem Artikel beschriebenen Strecken hat sich wenig verändert, bis auf die Zugstrecken im Baltikum. Hier gab es in den letzten 1,5 Jahren einige Verbesserungen. Zwischen Estland und Lettland sind die Züge inzwischen besser abgestimmt, das Warten in Valga entfällt. Zwischen Lettland und Litauen soll in einigen Wochen eine neue Zugverbindung in Betrieb gehen. Und zwischen Litauen und Polen gibt es nun täglich Züge, welche von Vilnius über Kaunas nach Białystok, Warschau und Krakow fahren. Dabei muss am Grenzbahnhof einmal umgestiegen werden, bei Verspätungen warten die Züge aufeinander. Grund für das Umsteigen ist die unterschiedliche Spurweite, aufgrund der UDSSR-Vergangenheit sind die Schienen in den baltischen Ländern in russischer Breitspur gebaut.

Aktuell wird im Baltikum außerdem am Bahnprojekt „Rail Baltica“ gebaut. Eines Tages sollen dank dieses Projekts Schnellzüge auf Normalspurgleisen von Warschau bis nach Tallinn fahren. Eine Fertigstellung vor 2030 wird aber immer unwahrscheinlicher.

Mit dem Optima Express in die Türkei

Im Sommer 2023 ging es, zusammen mit einigen Freunden, mit dem Zug über den Balkan bis in die Türkei. Ich bin bereits vor einigen Jahren bis in die Türkei mit dem Zug gefahren, damals mit dem ebenfalls nur im Sommer verkehrenden Zug von Bukarest nach Istanbul. Für die diesjährige Reise haben wir uns einen anderen Zug herausgesucht: Den Optima Express, eine Direktverbindung von Villach in Österreich über den kompletten Balkan bis nach Edirne in der Türkei.

Der Optima Express ist ein Autoreisezug, neben Passagieren können auch Autos von Villach nach Edirne transportiert werden. Das ermöglicht es, mit dem eigenen Auto in der Türkei zu reisen, den langen Anfahrtsweg aber komfortabler im Zug zu verbringen. Viele der Passagiere haben türkische Wurzeln und besuchen im Sommer ihre Verwandten in der Türkei.

Diese Bahnverbindung führt durch sechs Länder: Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien, Bulgarien und die Türkei. Der Zug braucht dafür um die 40 Stunden, die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt somit bei gerade einmal 30 km/h. Das liegt zum einen an den vielen Grenzkontrollen – die letzten drei Länder sind nicht Teil des Schengen Abkommens – zum anderen an der schlechten Bahninfrastruktur in vielen Teilen der Strecke.

Zuerst einmal hieß es für mich, dass ich von Berlin nach Villach kommen musste. Diese Strecke ist an einem Tag gut zu schaffen, um 8:29 Uhr ging es mit dem ICE vom Berliner Hbf nach München Hbf. Dort hätte ich über eine Stunde Umstiegszeit gehabt, um den EC nach Villach Hbf zu bekommen. Wie so oft lief es aber nicht rund bei der DB und mein Zug hatte fast 2 Stunden Verspätung, als er in München eintraf. Wie durch ein Wunder hatte der EC auch Verspätung und wartete in München auf meinen ICE, sodass ich die Verbindung doch noch bekommen habe. So gestresst war ich schon lange nicht mehr, immerhin stand ich kurz davor einen Zug zu verpassen, welcher nur alle paar Tage fährt.

Die Freunde, mit denen ich die Tage in der Türkei verbringen würde, saßen bereits seit Stuttgart in diesem EC mit der Nummer 115. Ab München vereint, bestaunten wir den Ausblick auf die Alpen, welche immer näher kamen, bis man mitten drin war. Der Zug erlaubt unglaubliche Blicke in die grünen Täler, während sich die Bahnstrecke am Hang das Tal hinaufschlängelte. Mit nicht mehr ganz einer Stunde Verspätung kamen wir in Villach Hbf an und stellten fest, dass hier alle Supermärkte bereits um 19 Uhr schließen. Wir hatten noch keine Verpflegung für den folgenden Tag dabei, welchen wir komplett im Zug verbringen würden. Am Ende wurden wir in einem Containerladen fündig, in dem man lokale Köstlichkeiten selbst abscannen und bezahlen kann.

Der Optima Express fährt nicht in Villach Hbf los, sondern in Villach Terminal 2. Bis dorthin sind es 20 Minuten Fußweg, auf dem Weg liegt ein Pizzalieferdienst, der auch noch zur späten Stunde Pizza (und Bier) anbietet. Laut dem Ticket von Optima Tours, dem Betreiber des Optima Express´, soll man mindestens 3 Stunden vor Abfahrt des Zuges am Terminal erscheinen. Für Passagiere, die kein Auto dabei haben, sollte auch eine Stunde ausreichen; wir kamen etwa 2 Stunden vor Abfahrt an. Vor Ort werden die Personalien gecheckt und einem ein Abteil zugeteilt. Wer allein reist, teilt sich ein Abteil mit maximal drei weiteren Personen, wobei bei geringer Auslastung versucht wird, dass jeder ein eigenes Abteil bekommt. Wir waren eine Gruppe von fünf Personen und bekamen ein gemeinsames Abteil zu fünft.

Pünktlich um 21:32 Uhr fuhr der Zug ab. Laut Plan sollten wir in zwei Tagen um 6:03 Uhr in Edirne ankommen. Die Liegewaggons sind eine ältere Bauart und kommen vermutlich ursprünglich aus der DDR. An jedem Ende eines Wagens gibt es eine Toilette und ein Waschbecken, diese wurden während der Fahrt regelmäßig gereinigt und waren damit immer sauber. Sowohl der Sitzkomfort als auch der Schlafkomfort im Abteil waren gut, man konnte die Fenster im Abteil öffnen und es gab einen großen Tisch zum Einhängen für den Tagbetrieb. Das Abteil war richtig gemütlich und es spross nur so vor Nostalgie.

Neben den Abteilwägen gibt es auch noch einen Speisewagen im Verbund, der Mittelpunkt des Lebens an Bord. Dieser ist getrennt in ein Barteil und ein Sitzteil. Im Barteil ist rauchen erlaubt, ich vermute, das ist der einzige Zug in Europa, in dem das noch der Fall ist. Da die Fenster alle geöffnet waren, störte das uns Nichtraucher nicht, sondern sorgte lediglich für ein noch stärkeres Nostalgiegefühl. Man fühlte sich zurückversetzt in eine Zeit vor Hochgeschwindigkeitszügen, mit Restaurantwaggons, in denen noch auf dem Herd gekocht wurde, und eben eine Zeit, in der man im Zug geraucht hat. Eine Zeit, die keiner von uns erlebt hat, im Optima Express aber noch erlebbar ist.

Am nächsten Morgen breiteten wir unser Frühstück auf dem großen Abteiltisch aus. Gegen 10:30 Uhr erreichten wir die Grenze nach Serbien. Die Grenzkontrollen laufen alle sehr ähnlich ab: ein:e Grenzbeamte:r oder ein Schaffner (es gab keine Schaffnerinnen an Bord) läuft durch den Zug und sammelt alle Pässe ein. Danach verschwinden diese für etwa eine Stunde, bis man den Pass zurückerhält und der Zug über die Grenze gefahren wird. Jetzt kommen die Grenzbeamt:innen des nächsten Landes und sammeln nochmals alle Pässe ein, gehen mit diesem aus dem Zug, es dauert wieder etwa eine Stunde und anschließend bekommt man seinen Pass wieder. Einmal war das Prozedere auch so gut abgestimmt, dass man den Pass zwischendurch nicht erhalten hat, sondern dieser direkt an die Beamt:innen des nächsten Landes weitergegeben wurden. Während man warten muss, wird zusätzlich noch die Lok getauscht. Die Waggons werden in jedem Land von Lokomotiven der jeweiligen staatlichen Eisenbahngesellschaft gezogen.

Aus Recherchen und meinen eigenen Erfahrungen wusste ich, dass das Zugsystem in Serbien völlig heruntergewirtschaftet ist. Die Züge tuckern durch die Landschaft und oftmals sind Busverbindungen doppelt so schnell wie Zugverbindungen, wenn es diese überhaupt gibt. Das soll sich die nächsten Jahre ändern, doch von der neuen Bahninfrastruktur ist aktuell erst die Verbindung von Belgrad nach Novi Sad fertiggestellt. Auf den letzten Kilometern vor Belgrad fuhren wir kurz genau auf dieser Strecke, ein letztes Mal hohe Geschwindigkeiten, bevor wir den restlichen Tag im Schneckentempo weiterfuhren, wenn wir denn überhaupt fuhren. Sehr oft standen wir ohne dass es einen offensichtlichen Grund gab. Als wir bereits seit zwei Stunden kurz hinter Belgrad standen, informierte ich mich bei einem der Schaffner. Mir wurde mitgeteilt, dass unsere Lokomotive eine Panne hat. Nach einiger Zeit kam von hinten eine neue Lokomotive, welche uns bis zur nächsten Ausweichstelle, einem verlassenen Bahnhof im Nirgendwo, schob. Anschließend fuhr die Lokomotive an uns vorbei, wurde vorne angekuppelt und die Fahrt ging weiter. Doch uns war dies egal, wir genossen die entschleunigte Art des Reisens, spielten Karten im Speisewagen, lasen Bücher oder unterhielten uns mit anderen Fahrgästen. Tatsächlich war es uns in diesem Moment völlig egal, wann wir in der Türkei ankommen würden. Man lebte in diesem Zug, dass man dabei auch noch von A nach B kommt, wurde zur Nebensache.

Spät am Abend, es war bereits nach 22 Uhr, erreichten wir Niš. Für die Strecke von Belgrad bis hierher brauchten wir unglaubliche 8 Stunden, mit dem Auto sind es gerade einmal 2,5 Stunden. Das „Highlight“ der serbischen Bahninfrastruktur sollte aber erst noch kommen, die Strecke von Niš nach Dimitrovgrad an der bulgarischen Grenze. In einigen Blogs wird diese Strecke als eine der schönsten in Europa beschrieben, schade dass es bereits Nacht war. Gleichzeitig ist diese Strecke auch eine der sich im schlechtesten Zustand befindenden Strecken, die Landschaft bleibt vor dem Fenster stehen, wenn man gegen die Fahrtrichtung durch den Waggon läuft. Gegen halb 3 in der Nacht wurden wir von einer Grenzbeamtin aus dem Schlaf geweckt, im Halbschlaf reichte ich ihr den Reisepass.

Wir hatten eine Verspätung von „Bulgarien“, denn anstelle von Edirne in der Türkei waren wir um 6:03 Uhr seit kurzem erst in Bulgarien. Durch Bulgarien ging die Fahrt relativ flott und immerhin hatten wir wegen der Verspätung genügend Zeit auszuschlafen, nachdem wir in der Nacht zu Unzeiten geweckt worden waren. Am ersten Bahnhof in der Türkei mussten wir aussteigen und uns den Stempel im Reisepass an der Polizeistation abholen. Danach ging es weiter nach Edirne, welches wir mit genau 9 Stunden und 10 Minuten Verspätung um 15:13 Uhr erreichten, über 40 Stunden nachdem wir in Villach losgefahren waren. Was für ein Erlebnis, ein Gefühl von transsibirischer Eisenbahn inmitten Europas.

Vom Bahnhof in Edirne aus gibt es nur eine Zugverbindung weiter, morgens um 8:20 Uhr nach Istanbul. Ich gehe davon aus, dass es unmöglich ist, diesen Zug mit dem Optima Express zu erwischen. Da wir bereits ein Hostel für die Nacht in Istanbul reserviert hatten, fuhren wir mit einem Nahverkehrsbus zum Busterminal und mit dem Bus weiter nach Istanbul. Als wir dort ankamen, war es bereits dunkel.

In Istanbul verbrachten wir einige Tage, besichtigten den Basar, die Hagia Sofia, unzählige Moscheen und kosteten das Nachtleben, welches sich hier wie in einer westlichen Stadt anfühlt. Auch den Bahnhof Sirkeci, der einst der Endpunkt des Orient Express war, besichtigten wir. Hier gibt es ein sehr kleines Museum mit Exponaten aus dieser Zeit. Aktuell wird der Bahnhof renoviert, bald sollen hier wieder Züge fahren.

In der Türkei ist das bevorzugte Verkehrsmittel zwischen Städten der Fernbus. Das wird offensichtlich, sobald man ein Busterminal betritt und die vielen Busse der verschiedenen Anbieter sieht, die regelmäßig in alle Richtungen des Landes abfahren. Es gibt jedoch auch den YHT, einen modernen Hochgeschwindigkeitszug, welcher zwischen Istanbul, Ankara, Konya und seit diesem Jahr auch Sivas verkehrt. Der Zug ist weitestgehend baugleich mit einem ICE3. Genau mit diesem Zug fuhren wir nach einigen Tagen weiter nach Ankara. Abfahrt war am Bahnhof Söğütlüçeşme auf der asiatischen Seite der Stadt, nicht weit entfernt vom ehemaligen Bahnhof Haydarpaşa, an dem einst Züge nach Bagdad und Teheran abfuhren. Auch an diesem Bahnhof gibt es aktuell keine Zugverbindungen mehr, das imposante Gebäude wird ebenfalls saniert.

Angekommen in Ankara, ging es auf direktem Weg wieder zum Busterminal, nach Kappadokien fuhren wir mit dem Bus. Die Landschaft in Kappadokien ist durch die verrückten Gesteinsformationen sehr markant. Durch eine besonders weiche Gesteinsschicht wurden hier über Jahrhunderte hinweg Wohnhöhlen in die Berge gehauen, es gibt ganze Untergrundstädte, von denen wir auch eine besucht haben. Ein besonderes, leider auch sehr kostspieliges Erlebnis ist die Ballonfahrt am frühen Morgen. Jeden Morgen starten über 100 Heißluftballons, um Touristen aus aller Welt ein einmaliges Spektakel zu bieten. Auch zum Wandern bietet sich dieses Gebiet sehr gut an. Um von Ort zu Ort zu kommen, gibt es viele Minibusse. Göreme ist mitten im Zentrum von Kappadokien, zentraler Knotenpunkt für alle Aktivitäten im Umland ist Nevşehir.

Nach einigen Tagen in Kappadokien ging es mit dem Bus weiter nach Konya und anschließend nach Antalya. Dort verbrachten wir nur eine Nacht, am nächsten Morgen ging es mit einem Minibus nach Adrasan, 85 km südlich von Antalya. Auf der Fahrt dorthin hatten wir eine Reifenpanne, nach kurzer Zeit wurde ein Ersatzreifen organisiert und unsere Fahrt ging weiter. In Adrasan machten wir unter anderem eine vierstündige Bootstour für unglaubliche 15 Euro, Abendessen inklusive. Wir kamen mit dem Boot an zwei Strände, welche nur mit dem Boot zu erreichen sind. Außerdem fanden wir einen großartigen abgelegenen Strand und wanderten ein Stück des lykischen Wegs in den nächsten Ort Çıralı.

Weiter ging es nach Pamukkale, einem Ort bei Denizli, welcher für die weißen Kalkterrassen bekannt ist. Neben den Kalkterrassen bietet das Gelände außerdem sehr große antike Ausgrabungsstätten, darunter ein Theater, bei dem der erste Stock des Bühnenbildes wieder aufgebaut wurde. Ab Denizli konnten wir auch wieder mit dem Zug fahren, da von hier aus regelmäßig Züge in Richtung Izmir fahren.

Wir fuhren aber nicht direkt bis Izmir, sondern machten einen Stopp in Selçuk. Das ist der Ort direkt neben der historischen Stadt Ephesus, einst eine der größten Städte der Welt. Bekannt ist dieser Ort auch, da er in der Bibel erwähnt wird. Der Apostel Paulus lebte hier, bevor man ihn aus der Stadt jagte. Später schrieb er einen Brief an die christliche Gemeinde der Stadt, welcher im Neuen Testament enthalten ist. Riesige bunte Mosaike und Wandbemalungen aus der Zeit der Römer kann man hier bestaunen, zudem ein riesiges Theater. Das bekannteste Gebäude ist aber zweifelsfrei die Celsus-Bibliothek. Neben Ephesus liegt zudem noch der Tempel der Artemis, eines der sieben antiken Weltwunder. Hiervon darf man sich allerdings nicht allzu viel versprechen, heute sieht man davon lediglich eine einzige Säule emporragen.

In Selçuk gibt es neben den Bahnen der TCDD, der türkischen Bahngesellschaft, auch Bahnen von IZBAN, dem Nahverkehr von Izmir. Diese fahren wesentlich öfter, man benötigt allerdings eine Nahverkehrskarte, welche beim einmaligen Verwenden des Nahverkehrs etwas teurer ist als ein Bahnticket der TCDD. Mit der IZBAN fuhren wir nach Tepeköy und stiegen dort um in die Bahn nach Izmir.

In Izmir verbrachten wir eine weitere Nacht, bevor es mit dem Eylül Ekspresi nach Bandırma am Marmarameer weiter ging. Der Zug braucht für diese Strecke sechs Stunden, ein Ticket kostet 5 Euro. Wir hatten etwa eine Stunde Verspätung bis wir ankamen, die Fähre von Bandırma nach Istanbul haben wir trotzdem bekommen. Diese Fähre fühlte sich eher wie ein Flugzeug an, Safety Instructions vor „Abflug“ inklusive. In Windeseile schossen wir über das Meer. Ein Deck gab es leider nicht, dafür erreichten wir nicht einmal drei Stunden später Istanbul. Hier verbrachten wir nochmals zwei Nächste, bevor wir uns auf den Heimweg machten.

Von Istanbul aus ging es aufgrund des Mangels an attraktiven Zugverbindungen wieder mit dem Bus nach Edirne. Die Grenzkontrollen waren auf dem Rückweg nicht mehr so aufregend, man wusste ja was einen erwarten wird. Auch die Verspätung nahmen wir wieder gelassen, man kommt ja immer irgendwie ans Ziel. Als wir die Strecke vor Niš passierten, war es gerade Mittag am zweiten Tag. So konnten wir uns diesmal ein Bild von der schönen Strecke machen. Dass wir unseren Anschlusszug in Villach erreichen würden, davon gingen wir nicht aus. Doch wir hatten Glück, mit „nur“ 4 Stunden Verspätung kamen wir in Villach an und erreichten unseren Zug nach Deutschland. Sollte ein Anschluss in Villach aufgrund der Verspätung nicht erreicht werden, kann man sich dies übrigens am Terminal bestätigen lassen. Man hat dann freie Zugwahl für die Fahrt bis an den Zielbahnhof.

Laut Aussage eines Schaffners ist die Verspätung Richtung Westen immer geringer als in die andere Richtung, anscheinend soll der Zug sogar schon pünktlich in Villach angekommen sein. Richtung Osten hat der Zug hingegen wohl meistens mehrere Stunden Verspätung, hier sind auch im Fahrplan einige Stunden weniger veranschlagt.

Ich bin schon viele Nachtzüge in meinem Leben gefahren, aber die Fahrt im Optima Express hat einen ganz besonderen Stellenwert für mich. Das alte Wagenmaterial, der Speisewagen, die vielen Grenzkontrollen und das stundenlange (ja fast sogar tagelange) Klackern der Schienen, während man den Kopf aus dem Fenster strecken kann, sorgt für ein einmaliges Erlebnis. Sollte ich nochmals in die Türkei fahren, werde ich wieder diese Verbindung wählen. Und wer weiß, vielleicht kommt der Zug eines Tages tatsächlich pünktlich in Edirne an, wenn der Ausbau der Schienen in Serbien wie geplant fortschreitet.

Infos:

  • Der Optima Express fährt jedes Jahr von April bis November, Fahrplan und Tickets sind zu finden unter https://www.optimatours.de/
  • Zugverbindungen in der Türkei finden und buchen: https://ebilet.tcddtasimacilik.gov.tr oder https://bilet.tcdd.gov.tr/
  • Für Busverbindungen in der Türkei am besten vor Ort am Busterminal nachfragen, dort wird einem weitergeholfen und man zahlt weniger als wenn man die Tickets online bucht. Kurzfristige Verbindungen sind fast immer zu bekommen.

Für wenig Geld nach Barcelona und Mallorca

Das Hochgeschwindigkeitsnetz in Frankreich zwingt einen fast immer dazu, für eine Reise durch das Land einen Halt in Paris einzulegen. So auch im Frühjahr 2022, als ich für eine Woche nach Barcelona und mit der Fähre weiter nach Mallorca fuhr. Auf dem gleichen Weg ging es einige Tage später zurück nach Deutschland.

Mit dem Direktzug ging es von Stuttgart Hbf nach Paris Gar de l’Est. Anstatt eines TGV von Paris nach Barcelona entschieden wir uns, einen Nachtzug in die Pyrenäen zu nehmen. Dies ist nicht nur ein großes Abenteuer, sondern außerdem unglaublich günstig, dazu später mehr. So verbrachten wir den Tag in Paris, um uns einige Dinge in dieser wunderschönen Stadt anzusehen. Mit dem Nachtzug ging es um 21:12 Uhr vom Bahnhof Paris Austerlitz im Liegewagen nach Latour De Carol – Enveitg. In diesem Zug gibt es wie in vielen Nachtzugverbindungen mehrere Waggons mit unterschiedlichen Zielen, die in der Nacht geteilt werden. Wer bei den Rangierarbeiten nicht aufwacht, bekommt davon aber nichts mit. Unser Zugteil bestand aus nur 3 Waggons, einem Liegewagen mit 6-Bett Abteilen, einem Liegewagen mit 4-Bett Abteilen und einem Sitzplatzwagen.

Als ich am Morgen aufwachte, schneite es draußen vor dem Fenster. Ich zog mir warme Klamotten an und setzte mich in den Sitzplatzwagen, der fast leer war. Am Bahnhof Andorre – l’Hospitalet, nicht weit von der Grenze des Zwergstaats Andorra entfernt, gab es eine geschlossene Schneedecke. So hatte ich mir meinen Mallorca-Urlaub nicht vorgestellt, die Aussicht im engen Tal entlang eines Flusses aber war spektakulär. Eine halbe Stunde später kamen wir in Latour De Carol – Enveitg an. Es ist der Grenzort zwischen Spanien und Frankreich, das große Bahnhofsgebäude deutet auf die einst große Bedeutung des Bahnhofs hin, von der heute nicht mehr viel geblieben ist. Es gibt im Bahnhof ein Gleis in iberischer Breitspur, der Schienenspurweite, welche in Spanien und Portugal verwendet wird. An diesem Stand auch schon ein Zug bereit, welcher ca. 1h nach Ankunft des Nachtzuges aus Paris nach Barcelona fährt. Tickets für diesen Zug werden nicht am Bahnschalter verkauft, sondern beim Schaffner im Zug. Die Zeit bis zur Abfahrt vertrieben wir uns mit einem Spaziergang im Dorf.

Für die Fahrt nach Barcelona braucht die Regionalbahn fast 4 Stunden. Das ist natürlich nochmals eine lange Zeit, was an den vielen Kehren und engen Kurven der Strecke liegt. Diese führt nämlich komplett durch die Pyrenäen. Großartige Aussichten gibt es somit fast durchgehend. Wem die Aussicht aus diesem Zug nicht genügt, kann nach 55 Minuten Fahrtzeit in Ribes-Enllac aussteigen. Von dort aus gibt es eine Zahnradbahn in das Bergdorf Núria. Wir haben uns aber dagegen entschieden und fuhren direkt bis Barcelona.

Kommen wir zu den Kosten für diese Strecke. Den Platz im Liegewagen gibt es bereits für 29€ bei der SNCF. Der Regionalzug nach Barcelona-Sants hat 12€ gekostet und von Stuttgart Hbf nach Paris l’Est haben wir das Ticket über die DB für 37,40€ bekommen. Zählt man das Metro-Ticket in Paris dazu, kommt man auf Kosten von ca. 80€ für die Strecke von Stuttgart nach Barcelona. Auch kurzfristig sind oft noch günstige Fahrkarten für die Verbindung nach Latour de Carol beziehbar, während die TGVs direkt nach Barcelona teilweise über 200€ für ein Ticket kosten.

Zurück zur Reise. Die nächste Nacht verachten wir in Barcelona, wo wir außerdem den gesamten kommenden Tag mit Sightseeing verbrachten. Am zweiten Abend in Barcelona ging es zum Fährhafen. Um 23 Uhr fuhr hier eigentlich unsere Fähre nach Palma de Mallorca ab. Tatsächlich wurde es eine Stunde später, bis wir wirklich auf das Schiff durften. Wir hatten zu dritt eine Kabine mit eigenem Bad. Eigentlich viel zu schade für die kurze Überfahrt, denn um 5:30 Uhr wurden wir durch die Lautsprecherdurchsage geweckt, dass es Frühstück im Restaurant gibt. Wir verzichteten darauf und versuchten nochmal ein bisschen zu schlafen, bevor wir den Sonnenaufgang auf dem Deck genossen. Um 6:30 Uhr sind wir in den Hafen von Palma eingefahren.

In Mallorca blieben wir sechs Tage in einer Ferienwohnung ca. 1h entfernt von Palma. Die Insel hat abseits des Ballermanns echt viele schöne Ecken zu bieten, besonders im Nordwesten, wo es Berge gibt. Ein besonderes Highlight war eine Fahrt im Trén de Sóller. Dabei handelt es sich um eine historische Elektrolokomotive, welche von Palma aus in die Stadt Sóller durch das Gebirge fährt. Die Bahn ist komplett in Holz verkleidet und wurde wunderschön instand gesetzt. Auf einer Anhöhe gibt es einen kurzen Fotohalt mit Blick auf Sóller, bevor der Zug sich durch viele Kehrschleifen den Weg nach unten bahnt. In Sóller kann man mit einer historischen Straßenbahn, welche ähnlich schön die der Trén de Sóller ist, nach Puerto de Sóller weiterfahren. Die Tickets sind zwar teuer, die Fahrt hat sich aber definitiv gelohnt. Nur ein Tipp: Im Tunnel kann es sehr kühl werden, deswegen empfehle ich, während der Tunneldurchfahrt nicht auf den Plattformen der Waggons zu stehen. Ich habe mit dabei eine Mandelentzündung zugezogen.

Die Rückfahrt verlief über die gleiche Strecke. Die Fähre zurück nach Barcelona fährt tagsüber, für diese Verbindung lohnt sich eine Kabine auf jeden Fall nicht. Die Überfahrt dauert nur 6 Stunden und es gibt viele Sitzplatzgelegenheiten an mehreren Orten im Schiff. Etwas stressig wurde die Fahrt von Barcelona-Sants nach La Tor de Querol-Enveig, wie der Ort auf Katalanisch heißt. Abfahrt sollte um 14:31 Uhr sein, Ankunft um 17:51. Das hätte uns gut 1,5h Puffer bis zum Nachtzug nach Paris gegeben, der um 19:25 losfuhr. Der Zug fuhr aber bereits mit über einer Stunde Verspätung in Barcelona ab. Zusätzlich hieß es dann von der Schaffnerin, dass dieser Zug außerplanmäßig eine Station früher aufhört und nicht über die Grenze nach Frankreich fährt. Uns wurde aber versprochen, dass wir ein Taxi nehmen können und die Kosten hierfür der Zuganbieter übernimmt. Das war auch tatsächlich so und wir kamen 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges in Latour de Carol (oder La Tor de Querol) an. Zum Einkaufen reichte die Zeit leider nicht mehr, es gab keine Essensmöglichkeiten direkt am Bahnhof und auch im Zug verkaufte man kein Essen oder Getränke. Deswegen kamen wir sehr hungrig am nächsten Morgen in Paris an. Tipp für das nächste Mal: Essen bereits in Barcelona kaufen.

Links:

Mit dem Zug nach Marokko

Im März 2023 bin ich zusammen mit einem Freund von Deutschland aus nach Marokko gefahren. Bis nach Südspanien fuhren wir mit dem Zug, anschließend ging es mit der Fähre auf den afrikanischen Kontinent. Der Rückweg erfolgte ebenso mit dem Zug, diesmal jedoch über eine andere Route.

Reiseroute von Berlin bis nach Marokko und zurück

Von Berlin aus ging es zuerst nach Stuttgart Hbf, wo um 14:52 Uhr der ICE pünktlich in Richtung Paris Est losfuhr. Nach nur etwas mehr als drei Stunden kam der Zug in Paris Est um 18:05 Uhr an. Es ist immer wieder faszinierend, wie der ICE3 in Frankreich ohne einmal zu bremsen mit 320 km/h von Straßburg nach Paris donnert.

Im Paris ging es mit der Metro zum Bahnhof Gare d´Austerlitz. Die Metro Tickets müssen am Automaten gekauft werden, vor diesen Automaten gibt es immer lange Schlangen. Hier definitiv viel Zeit einplanen. Von Gare d´Austerlitz aus fährt jede Nacht ein Nachtzug nach Latour de Carol in den Pyrenäen an der Grenze zu Spanien. Von dort aus gibt es eine Regionalbahn bis nach Barcelona Sants, eine superschöne und günstige Verbindung von Paris nach Barcelona.

Zumindest ist das der Fall, wenn in Frankreich gerade nicht gestreikt wird. Eigentlich dachten wir, dass wir von diesem Streik nicht betroffen sind, da erst am nächsten Tag gestreikt wurde. Da der Nachtzug aber auch nach 0 Uhr fährt, ist dieser auch ausgefallen, wie wir erst am Bahnhof mitbekamen. Uns blieb nichts anderes übrig, als einen Flixbus über Nacht nach Barcelona zu nehmen. Dieser war sehr unkomfortabel, besonders wenn man sich bereits auf Liegewägen für die Nacht eingestellt hat. Immerhin hatten wir durch den Flixbus mehr Zeit in Barcelona, da dieser schneller als die Verbindung mit dem Zug durch die Pyrenäen ist.

Von Barcelona Sants aus ging es weiter Richtung Málaga, ganz im Süden von Spanien. Es gibt jeden Tag einen Direktzug, der von Barcelona bis nach Málaga 6,5 Stunden benötigt. Abgesehen von diesem Zug gibt es auch Verbindungen, bei denen man in Madrid umsteigen muss. Diese sind teilweise sogar noch schneller. In Málaga legten wir einen Tag Pause ein, bevor es nach Marokko weitergehen sollte. Die Nacht davor konnten wir im Bus kaum schlafen, die Nacht darauf dann auf der Fähre zu verbringen hielten wir für keine gute Idee.

Den Pausentag in Málaga verbrachten wir damit, mit dem Zug zum Caminito del Rey zu fahren und auf diesem zu wandern. Dies ist ein Wanderweg in einer Schlucht nordwestlich von Málaga, welcher Anfang der Zweitausender als gefährlichster Wanderweg der Welt Schlagzeilen gemacht hat. Inzwischen ist der Wanderweg gesichert und bietet spektakuläre Aussichten. Es gibt eine wunderschöne Zugstrecke, die direkt durch die atemberaubende Schlucht führt. Die Haltestelle für den Caminito del Rey heißt El Corro, wer aus dem Zugfenster die Schlucht bestaunen möchte, muss noch eine Station weiter nach Bobadila fahren.

Die Fähre von Málaga nach Melilla, einer spanischen Exklave auf dem afrikanischen Kontinent, fährt jeden Abend. Tickets kann man sich am Fährterminal kaufen. Es gibt Schlafkabinen oder Pullman Seats zur Auswahl, aufgrund des beschränkten Geldbeutels entschieden wir uns für die Sitze und hatten zugegebenermaßen eine weitere Nacht mit sehr wenig Schlaf hinter uns, als wir morgens ankamen.

In Melilla angekommen, liefen wir zu Fuß zum Grenzübergang. Der Weg bis dorthin dauerte vielleicht 40 Minuten, man läuft größtenteils am Strand entlang. Die Aus- und Einreise ging relativ flott, es gab außer uns kaum jemanden, der die Grenze zu Fuß passierte. Angekommen auf der marokkanischen Seite, erwartete uns ein völlig anderes Stadtbild. Es waren viel mehr Menschen zu sehen und alle Gebäude waren merkbar in einem schlechteren Zustand. Zu Fuß ging es dann nochmal etwa 40 Minuten bis zum Bahnhof Beni Nsar Ville, wo um 9:25 Uhr ein Zug nach Fès fuhrt. Die Landschaft veränderte sich auf der Zugfahrt dauernd, war man zwischendurch in einer Wüste, in der man kein grün mehr bis zum Horizont gesehen hat, gab es kurz vor Fès wieder dunkelgrüne Wiesen. Auch äußerlich war dies eine der schönsten Lokomotiven, mit denen ich bisher gefahren bin, seht selbst.

In Fès blieben wir einige Tage und verloren uns in den unzähligen schmalen Gassen der Medina. Anschließend ging es mit dem Bus nach Merzouga, wo sich die größte Sandwüste Marokkos befindet. Als ich nachts den bombastischen Sternenhimmel in der Sahara erblickte, konnte ich es nicht glauben, dass wir nur mit Zug und Fähre hierher gekommen waren. Auf einmal erscheint die Sahara gar nicht mehr so weit entfernt von zuhause, es liegen nur einige Tage Fahrzeit dazwischen. Was mir zuvor auch nicht bewusst war ist, dass die Sahara nur zu einem sehr kleinen Teil aus einer Sandwüste besteht. Ein Großteil ist eine Steinwüste, die sah man auch über Stunden hinweg auf der Busfahrt nach Merzouga.

Auf dem Weg von Merzouga nach Marrakech machten wir halt im Dadestal, einem grünen Tal inmitten einer trockenen Gebirgslandschaft. Es ist ein wesentlich weniger touristisch erschlossenes Gebiet, in dem man bizarre Felsformationen bestaunen kann und welches sich sehr gut zum Wandern eignet. Nach einigen Tagen dort ging es mit dem Bus weiter nach Marrakech, wo wir nur einige Stunden verbrachten.

Von Marrakech, dem südlichsten Punkt des marokanischen Schienennetzes, fuhren wir mit dem Nachtzug nach Tanger. Online kann man für diesen Zug nur Tickets in der 2. oder 1. Klasse kaufen, es gibt aber auch einen Liegewagen. Die Tickets für den Liegewagen kosten ca. 37€ und man kann diese nur am Bahnschalter kaufen. Die Nachfrage danach scheint nicht allzu groß zu sein, wir konnten direkt vor Abfahrt noch Tickets kaufen und es waren viele Pritschen noch frei. Es handelt sich um einen Waggon mit komfortablen 4er-Kabinen. Die vielen Sitzwägen waren hingegen alle gut ausgebucht, diese sind auch nochmal einiges günstiger.

Von Tanger ging es mit einem Sammeltaxi nochmal für einige Tage nach Chefchaouen, einer Stadt mitten im Rif Gebirge. Hier bekamen wir nochmal einen ganz anderen Blick auf Marokko, alles ist saftig grün, was mit den hellblauen Häusern in der Stadt einen wunderschönen Kontrast ergibt. Die Kleinstadt war sehr entspannt, kein Vergleich zum chaotischen und schrillen Marrakech.

Zurück nach Spanien ging es auf dem Rückweg über eine andere Strecke. Von Tanger Med, einem Hafen ca. 40 Kilometer von Tanger entfernt, gibt es regelmäßig Fähren nach Algeciras, einer spanischen Stadt direkt neben Gibraltar. Die Überfahrt dauert nur 1,5h und ist damit wesentlich schneller als die Verbindung von Málaga nach Melilla. Von Algeciras gibt es mehrere Zugverbindungen Richtung Madrid, darunter auch eine Direktverbindung. Bei dieser Verbindung muss das Fahrgestell der Waggons auf der Strecke getauscht werden, da in Spanien abgesehen von den Hochgeschwindigkeitsstrecken die Schienen eine andere Spurweite haben als bei uns.

Im März war es noch nicht möglich, online Reservierungen in Spanien für Reisende mit einem Interrail Ticket vorzunehmen. Als wir in Algeciras ankamen und am Bahnschalter nachfragten, waren alle Züge für diesen und den nächsten Tag ausgebucht, wir mussten aber zwingend vor dem nächsten Streik durch Frankreich gefahren sein und hatten deswegen keine Zeit für einen ungeplanten, längeren Aufenthalt in Algeciras. Nach etwas Suchen bekamen wir am Bahnschalter Reservierungen für einen AVE von Sevilla nach Madrid und für einen Zug von Madrid nach Irún an der französischen Grenze für den nächsten Tag. Nach Sevilla mussten wir am Abend mit dem Bus fahren, hatten dafür am nächsten Morgen auch noch etwas Zeit uns diese wunderschöne Stadt anzusehen. So hatte die ungünstige Reservierungssituation auch seine gute Seite.

Ohne einen einzigen Halt fuhren wir von Sevilla mit einem AVE bis nach Madrid Puerta De Atocha. Von dort aus ging es mit der Metro zum Bahnhof Madrid Chamarin, wo unser Zug nach Irún abfuhr. Um 23 Uhr kamen wir in Irún an und hatten dort Zeit bis um 4:51 Uhr, wo der erste Zug in Henday auf der französischen Seite weiterfuhr. Die Nacht verbrachten wir, indem wir in einer Bar Billiard spielten, danach einen großen Strandspaziergang unternahmen und versuchten zu schlafen. Es sind in dieser Nacht auch noch weitere Personen an der Grenze zwischen Spanien und Frankreich hängen geblieben und wir kamen mit mehreren ins Gespräch. Es war sehr spannend zu erfahren, wie und warum jeder einzelne von uns hier gelandet war.

An die Zugfahrt nach Bordeaux und weiter Paris habe ich nur wenig Erinnerungen, die meiste Zeit habe ich wohl geschlafen. Von Paris aus fuhr ich noch weiter nach Belgien und in die Niederlande, um Freunde zu besuchen, anschließend ging es für mich von Amsterdam zurück nach Berlin.

Auch wenn die Fahrt durch Frankreich auf dem Hinweg sowie die Nacht an der Grenze zu Frankreich auf dem Heimweg an den Kräften gezehrt haben, war es ein wunderschöner und sehr abwechslungsreicher Urlaub. Es fühlt sich vor Ort einfach anders an, wenn man einen stundenlangen Anfahrtsweg hatte und sah, wie die Landschaft langsam von einer Vegetationszone zur anderen wechselte. Genau das ist es, was mich an langen Zugreisen so fasziniert.

Konnte ich euch inspirieren, eine ähnliche Reise nach Marokko zu unternehmen? Dann gibt es hier noch einige Updates zur aktuellen Routensituation.

Update zur Strecke (Stand 2023):

  • Reservierungen für Züge in Spanien können inzwischen über die Interrail Seite gebucht werden.
  • Der Direktzug von Barcelona nach Málaga fährt nun früh morgens, es ist nicht möglich den Zug von Frankreich aus kommend zu erreichen. Stattdessen kann eine Verbindung über Madrid gewählt werden.
  • Die Fähre von Málaga nach Melilla fährt nicht mehr über Nacht, sondern kommt am späten Abend in Melilla an.

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