Heute berichte ich von meiner ersten großen Interrail-Reise, als ich vor 10 Jahren einmal um die Adria gereist bin. Ich habe dazu einmal das Foto-Archive durchwühlt und Notizen von damals gelesen, um diese Reise zu rekonstruieren. Rückblickend ist es sehr interessant zu sehen, was sich seitdem im Schienennetz in Europa getan hat – sowohl positives als auch negatives. Viele der Verbindungen auf dem Balkan, mit denen wir damals gefahren sind, gibt es heute nicht mehr. Durch die Alpen hat sich das Zugreisen hingegen beschleunigt und auch die in- und outbound journey im Interrail Pass macht das Reisen heute komfortabler als damals.

Los ging es mit dem RE nach Stuttgart, wo der Hauptbahnhof damals eine riesige Baustelle war – so wie auch noch heute. Damals fanden wir eine große Baugrube vor, heute sind einige Teile des neuen Bahnhofs bereits fertiggestellt. Da man mit dem Interrail Ticket ausschließlich im Ausland fahren durften, waren wir am ersten Tag mit dem Baden-Württemberg Ticket unterwegs. Der IC nach Zürich, heute für den Regionalverkehr innerhalb Deutschlands freigegeben, durften wir mit unserem Ticket nicht fahren. Also ging es anschließend nach Ulm und von dort aus mit dem RE nach Schaffhausen und Zürich.
Nach einem Aufenthalt von 2 Stunden in Zürich, fuhren wir mit dem EC nach Mailand. Dort besuchten wir am folgenden Tag die EXPO15, eine rießige Messe auf der sich die Länder der Welt vorstellen. Architektonisch waren einige „Pavillione“ sehr spannend, den genauen Sinn hinter der Expo habe ich aber ehrlicherweise nicht wirklich verstanden und verstehe ihn bis heute nicht so richtig. Es war aber auf jeden Fall eine spannende Veranstaltung.
Da die Hostels in Mailland aufgrund der Expo alle ausgebucht waren oder sehr teuer waren, fuhren wir nach zwei Nächten weiter. Unser nächster Stopp war Ancona, von wo aus unsere Fähre nach Griechenland losfuhr. Aus irgendeinem Grund fuhr die Fähre an diesem Tag erst mehrere Stunden später ab, sodass wir einen halben Tag am Porta Pia darauf warteten, dass die Fähre bereitsteht. Mit dem Interrail Ticket sollte die Fähre eigentlich inkludiert sein, am Ende bezahlten wir mit den ganzen Zuschlägen (Hochsaisonszuschlag, Treibstoffzuschlag, Hafenzuschlag) dann doch 42€. Die 22h auf der Fähre verbrachten wir auf dem Deck, nachts schliefen wir auf unseren Isomatten. Das klingt vielleicht ätzend, doch ich habe die Fährfahrt in guter Erinnerung. Es war sehr entspannt, wir spielten Karten und lernten eine Familie kennen, die uns einlud, auf dem Rückweg in Innsbruck bei ihnen Halt zu machen.
In Patras (Griechenland) verbrachten wir eine Nacht in einem Hostel, welches ich bis heute als das dreckigste Hostel in meinem Leben bezeichne. Die Bettlacken waren mal weiß, inzwischen waren sie aber gelb. In der Dusche wusste man nicht, ob die Fugen aus Beton, Holz oder Schimmel bestehen und der Durchlauferhitzer in der Duschkammer hatte keine Verkleidung mehr, die offenen Stromkabel hingen direkt neben der Duschbrause. Wir schliefen in unseren Schlafsäcken und verließen das Hostel am nächsten Morgen.
Von Patras nach Athen wird die Eisenbahn ausgebaut. Deswegen mussten wir mit einem Bus fahren, der allerdings von Trainose betrieben wurde und im Interrail Ticket inkludiert war. In Akrata stiegen wir aus und liefen zum Zeltplatz Akrata Beach Camping, wo wir für einige Tage blieben. Mittags wurde es seehr heiß und die Zirpen, welche auf allen Bäumen hockten, machten einen unglaublichen krach, erst nachts wurde es wieder still. Während der Mittagshitze verbrachten wir die Zeit am Kiesstrand des Campingplatzes.
An einem Tag machten wir einen Tagesausflug nach Diakopto um von dort aus mit der Schmalspurbahn nach Kalavryta zu fahren. In Diakopto sah der neue Bahnhof für die Strecke Patras – Athen eigentlich schon fertig aus, doch in der Realität fährt auch heute, 10 Jahre später, noch kein Zug bis Patras auf dieser Strecke. Das Sparprogramm, welches der Regierung von der EU aufgedrängt wurde, hat eine Fertigstellung immer wieder verhindert. Aktuell heißt es, dass die Strecke 2026 eröffnet wird, wir werden sehen.
Die schmale Bahnstrecke, welche das Vouraiko Tal entlangführt, war wunderschön. Oben angekommen machten wir eine kleine Wanderung und sahen uns in dem Ort um, welches leider eine dunkle Geschichte hat. Nazi-Deutschland hat während des zweiten Weltkrieges das ganze Dorf niedergebrannt und alle Männer hingerichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass das Terrorregime auch im Südosten Europas wütete. Wie gut, dass auch heute noch darauf mit Infotafeln aufmerksam gemacht wird.
Auf der Rückfahrt fuhren wir nur bis zum Mittelstation mit dem Zug und wollten den Rest zu Fuß wandern. Wir dachten die Mittelstation wäre die erste Station vor Diakopto auf der Karte, doch es gibt Bahnhöfe die nicht mehr angefahren werden. So war die Wanderstrecke nicht nur 5km lang, sondern 12km. Außerdem stellte sich heraus, dass es keinen Wanderweg gibt. Man konnte nur auf den Schienen weiter nach unten laufen, und das taten wir auch. Die Mittagssonne prallte uns auf den Kopf, unsere Wasservorräte neigten sich dem Ende. Als laut Fahrplan bald ein Zug wieder vorbeikommen sollte, machte wir im Fluss Pause um uns abzukühlen. Danach ging es weiter bergab, bis wir endlich in Diakopto ankamen. Im ersten Kiosk kauften wir mehrere Flaschen Wasser und jeder trank fast einen Liter davon.
Als nächste Station der Reise machten wir in Korinth Stopp. Bis Kiato mussten wir dafür den Bus nehmen, von dort aus fuhren, wie auch noch heute noch, Züge weiter nach Athen. Wir hatten alle frisch das Abi gemacht und mussten als Prüfungslektüre Homo Faber lesen, was unter anderem auf Akrokorinthos spielt. Dorthin wanderten wir und besuchten die Runie der Festung auf dem Berg. Im Bed&Breakfast hatten wir ein bombastisches Frühstück und Abendessen, da der Besitzer in einem Restaurant arbeitete und uns von allen Gerichten etwas am Abend mitgebracht hat.
Danach ging es weiter nach Athen, der Hauptstadt Griechenlands. Das Parlamentsgebäude war damals in den deutschen Nachrichten oft zu sehen, die Schuldenkriese Griechenlands war im vollen Gange. Noch berühmter ist natürlich die Akropolis, welche wir ebenfalls besichtigten. Viel Zeit verbrachten wir dort oben allerdings nicht, die Stadt ist im August unglaublich heiß. Wir hatten jeden Tag fast 40°, besonder schlimm war es bei der Akropolis da es nicht einen einzigen Baum dort oben gibt und durch die Steine überall die Luft noch weiter aufgeheizt wird. Wir machten die obligatorischen Bilder und gingen schleunigst wieder den Berg hinunter.
Der nächste Stopp hieß Meteora-Klöster. Da den Zug, welchen wir von Athen aus nehmen wollten, bereits voll war (man musste Sitzplätze reservieren, was nur am Bahnschalter möglich war), fuhren wir mit einem späteren Zug nach Paleofarsalos. Das ist ein kleiner Bahnhof, der gleichzeitig aber ein Drehkreuz im Schienennetz Griechenlands darstellt. von hier aus muss man in die Züge umsteigen, welche nach Kalambaka fahren. Wir übernachteten in der Wartehalle des Bahnhofs, die erste Nacht seit einer Woche mit Klimaanlage. Mit dem ersten Zug ging es nach Trikala, wo wir im Hostel am frühen Morgen unser Gepäck abgaben. Danach ging es mit dem nächsten Zug weiter nach Kalambaka, wo wir zum ersten Kloster liefen und um Punkt 8 Uhr die ersten Gäste des Tages waren.
Die Meteora-Klöster befinden sich alle auf steilen Klippen und geben eine beeindruckende Kulisse. Wir besuchten zwei davon, bevor es wieder zurück nach Trikala ging. Dort machten wir am nächsten Tag eine weitere Wanderung bevor es mit dem Zug nach Thessaloniki ging.
In Thessaloniki fuhren wir für einen Tag an einen Strand und besorgten uns ein Zugticket nach Sofia für den nächsten Tag. Am frühen Morgen fuhr der Zug los, auf den letzten Kilometern vor der bulgarischen Grenze nur in Schrittgeschwindigkeit aufgrund der maroden Strecke. Zwei Jahre später wurde deswegen nur ein Busservice über die Strecke angeboten, wir fuhren noch durchgehend auf den Schienen. Inzwischen gibt es auf dieser Verbindung gar keine Züge mehr.
Bei Einfahrt nach Sofia sahen wir bis zum Horrizont nur Müll, anschließend fuhr der Zug durch einen Art Slum, es sah furchtbar aus. Am Bahnhof wurden wir von einem Mann belästigt, der Geld von uns haben wollte und nicht locker ließ. Der erste Eindruck der Stadt war wirklich nicht gut – das änderte sich schlagartig als wir eine unscheinbare Metalltür öffneten und im Innenhof des Hostel Mostels ankamen. Durch den „Bast Balkan Pass“, den wir in Trikala erhielten, bekamen wir einen 10% Discount und zahlten nur 8,10€ pro Nacht für ein tolles Hostel mit gratis Kaffee, gratis Frühstück, gratis Abendessen (!) und gratis WLAN. PCs zum surfen gab es auch, tatsächlich hatte keiner von uns eine Internetflat für das Ausland (Roming in der EU war sündhaft teuer) und wir waren immer offline unterwegs. Das Hostel veranstaltete auch unterschiedliche Aktivitäten.
An einem Tag machten wir einen Ausflug zu einem Wasserfall in den Bergen bei Sofia. Als der Bus auf den wir warteten eintraf, war dieser mit dem Satz „Für die Umwelt – fahr mit dem Bus“ beschriftet. Auch alle Sicherheitshinweise im Bus waren auf Deutsch und weiteren westeuropäischen Sprachen, auf Bulgarisch stand nichts. Hier landen also alle Busse, welche bei uns ausgemustert werden.
Die nächste Zugfahrt fand in Schlafwägen statt, auf denen an einigen Ecken noch das Logo der Deutschen Reichsbahn (aus der DDR) zu finden war. Es war der Nachtzug von Sofia nach Belgrad, welchen es inzwischen ebenfalls nicht mehr gibt. Angekommen sind wir im alten Bahnhof von Belgrad, der damals noch in Betrieb war. Heute befindet sich ein neuer Stadtteil auf dem Gleisvorfeld des damaligen Bahnhofs auf dem bereits der Orient Express halt machte und nur das Hauptgebäude hat überlebt. Obwohl der Reisedauer für die Strecke schon im Fahrplan lange angegeben war, hatten wir mehrere Stunden Verspätung als wir in Belgrad ankamen. Auf der Reise mit dem Optima Express vor 2 Jahren war es nicht anders, die Strecken in Südserbien sind weiterhin in einem katastrophalen Zustand. Doch im Vergleich zu damals gibt es heute keine Zugverbindung mehr über diese Strecken.
In Belgrad verbrachten wir zwei Nächte in einem Hostel und besichtigten die Stadt. In diese Zeit viel auch der Sieg der Nationalmannschaft in der Wasserball-WM, wo wir zufälligerweise auf eine große Feier mit den Spielern vor dem Parlamentsgebäude stießen. Ansonsten ist mir besonders das von der NATO zerstörte Armeegebäude mitten in der Stadt in Erinnerung geblieben. Mehrmals wurden wir von Einheimischen darauf hingewiesen, dass wir dies besichtigen sollen. Eine kritische Aufarbeitung der Jugoslawienkriege gab es in diesem Land bisher noch nicht.
Auch die nächste Zugverbindung die wir damals nahmen existiert heute nicht mehr, nämlich von Belgrad nach Zagreb. Wir stiegen allerdings in Slavonski Brod aus, eine Stadt im Osten Kroatiens. In Slavonski Brod gab es das anscheinend größte Freiluftgemälde der Welt, ich kann mir aber kaum vorstellen das dieser Rekord heute noch gilt. Außerdem besuchten wir alte Militäranlagen aus der Zeit Österreich-Ungarns. Für einen Tag ging es auf die andere Seite der Save nach Bosnien-Herzegowina.
Unser nächster Stopp hieß Zagreb, wo viele Migranten sich am Bahnhof aufhielten und versuchten weiter nach Norden oder Westen zu gelangen. 2015 war auch das Jahr der großen Fluchtbewegung von Syrien nach Europa, auf dem Balkan bekamen wir immer wieder etwas davon mit. In der wunderschönen Stadt blieben wir für zwei Nächte.
Danach ging es weiter nach Lubljana, eine Stadt die mir besonders durch die vielen Fußgängerzonen und tollen Innenstadt in Flussnähe im Kopf geblieben ist. Am Wochenende fand direkt am Fluss ein Markt statt, an dem man lokale kulinarische Highlights essen konnte.
Am Faaker See besuchten wir die Familie einer der Personen aus unserer Gruppe beim Familienurlaub. Unsere Zelte, welche wir seit Griechenland nicht mehr verwendeten, kamen hier wieder zum Einsatz. SDort stellte sich uns die Frage, wie unsere Route weiter in Richtung Deutschland verlaufen sollte. Einen Teil der Gruppe wollte nach Wien, ein Teil nach Venedig. Schlussendlich fragten wir uns: „Warum entweder oder, warum nicht beides?“ So kam es, dass wir erst nach Venedig und anschließend zurück nach Wien fuhren.
Venedig ist wunderschön, es ist kaum zu glauben, dass dieser Ort tatsächlich existiert. Deswegen kommen Millionen von Besuchern jedes Jahr – die Stadt leidet extrem unter Massentourismus. Durch alle Gassen muss man sich drücken, die Preise sind viel teurer als im Rest Italiens. Natürlich bringt der Spruch „Touris sind immer die anderen“ nichts. Ich habe für mich beschlossen, nicht mehr nach Venedig zurück zu kommen und nicht nochmal Teil des Problems zu sein. Aber ganz ehrlich: Für einen einmaligen Besuch lohnt es sich, es ist genauso schön wie man sich es vorstellt.
Nach Wien mussten wir die erste Strecke mit dem Bus fahren, Ersatzverkehr da die Bahnstrecke für einige Tage gesperrt war. Ab Villach ging es über die Südbahn nach Wien. Dort stand für mich ein Wiener Schnitzel auf dem Programm. Ansonsten haben wir uns alle Sehenswürdigkeiten der Stadt angesehen, den Prater, Schloss Schönbrunn und wie sie alle heißen.
Nach zwei Nächsten in Wien ging es mit dem Railjet nach Tirol, nach Insbruck. Die Familie, welche wir am dritten Tag unserer Reise auf der Fähre getroffen hatten, hat uns damals angeboten im schönsten Garten der Stadt unser Zelt aufzuschlagen. Sie haben nicht übertrieben, auf dem Grundstück gab es einen natürlichen Wasserfall, einen Blick über die Stadt bis zur Schieschanze, einen Pool – sie hatten nicht übertrieben. Wir verbrachten die Zeit mit Wandern zu Almhütten oder Kartenspielen im Garten.
Mit diesem tollen letzten Stopp beendeten wir unsere Tour, am 30. Tag des Interrail Tickets ging es zurück nach Deutschland.
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